Der Feldhase in Berlin

5. Juli 2017

Wilde Neuberliner

Ein Hase ist kein Kaninchen. Die beiden sind zwar miteinander verwandt und gehören zur Familie der Hasenartigen (Leporidae), unterscheiden sich aber deutlich und besonders drastisch in der Fortpflanzung: Kaninchen bringen im Bau nackte, blinde Welpen zur Welt, sogenannte Nesthocker. Hasen dagegen haben schon bei der Geburt Fell und offene Augen. Es sind Nestflüchter, die von der Mutter in einer Sasse unter freiem Himmel ‚geparkt‘ werden.

Feldhase auf Straße

Feldhasen (Lepus europaeus) leben auch in der Stadt.

Seit etwa 15 Jahren mehren sich die Beobachtungen von Feldhasen in der Großstadt. Berlin ist hier wieder einmal die Stadt der Wahl: in Berliner Wohnsiedlungen sind Hasen nun sogar schon eher zu beobachten ist als im angrenzenden Land Brandenburg. Die Hasen- Vorkommen am Stadtrand in  Kleingärten, Friedhöfen und Parks sind schon länger  bekannt, aber das Vordringen des Feldhasen in das Stadtinnere, sogar bis ins Stadtzentrum, ist ein neues Phänomen.

Berlin ist eine der wenigen Großstädte, in denen das Vorkommen des Europäischen Feldhasen dokumentiert ist. Es ist eine Besonderheit und nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern ist auch eine Bereicherung der biologischen Vielfalt der Stadt.
Der Feldhase ist daher eine von 34 Zielarten, die für die Erarbeitung eines Biotopverbundsystems in Berlin ausgewählt wurden. In Berlin existieren noch an vielen Stellen scheinbar wertlose Brachflächen, die für den Biotopverbund jedoch eine wichtige Rolle spielen und miteinander verbunden werden bzw. bleiben müssen. An einem stadtumfassenden Konzept der Vernetzung von Lebensräumen durch Korridore wird intensiv gearbeitet. Hier lesen Sie mehr.

Feldhasen können vor allem in den Neubaugebieten im Osten der Stadt, insbesondere in Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg beobachtet werden. Der  Bezirk Lichtenberg bildet dabei einen Schwerpunkt des innerstädtischen Vorkommens. 2016 wurde die Population dort auf etwa 100 Individuen geschätzt.  Am häufigsten sind Beobachtungen in den frühen Morgenstunden, wenn weniger Menschen unterwegs sind. Zunehmend werden die Tiere aber furchtloser gegenüber dem Menschen und geradezu zutraulich, so dass man sich ihnen bis auf wenige Meter nähern kann. Das würde ein Hase in freier Feldflur nicht dulden.

Der Bezirk Lichtenberg möchte als Pate des Feldhasen die vorhandene Population durch konkrete Maßnahmen unterstützen und bittet um Hasenmeldungen für die Wilttierkartierung: https://www.berlin.de/ba-lichtenberg/auf-einen-blick/freizeit/gruen/formular.297823.php.

Auch der Nabu bittet um Meldungen, um das Vordringen der Art in die Innenstadt weiter verfolgen zu können. Beobachtungen kann man an neomys@web.de senden.

Der Feldhase ist – wie fast alle heimischen Säugetierarten – besonders geschützt, weil sich der Bestand in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland stark verkleinert  hat. Auf der Roten Liste Deutschlands ist die Art daher als „gefährdet“ (Kategorie 3) eingestuft.

Mehrere Faktoren sind für den Rückgang der Feldhasenpopulation verantwortlich. Hier ist wohl an erster Stelle die Landwirtschaft zu nennen. In unseren Monokulturen fehlt es sowohl an Wildbewuchs auf den Ackerrandstreifen, als auch an brachliegenden Flächen, auf denen der Feldhase Nahrung und Deckung findet. In der aufgeräumten Agrarlandschaft haben seine natürlichen Feinde zu Land und aus der Luft ein leichtes Spiel, denn es fehlt an Versteckmöglichkeiten im hohen Gras. Da Hasen sich hauptsächlich von Gräsern und Kräutern ernähren, führt der Mangel an der Pflanzenbiodiversität in der  intensiven Landwirtschaft wohl auch zu verminderter  Nahrungsqualität und/oder – quantität. Vor allem unter den jungen Hasen ist die Mortalitätsrate enorm: Sie wird mit bis zu 95%  angegeben. Neben Verstecken und einer hochwertigen Nahrung ist für junge Hasen auch das Wetter ein wichtiger Überlebensfaktor. Die jungen Hasen sind in ihrem oberirdischem Versteck dem  Wetter ausgeliefert und  werden von der Mutter nicht in einem Nest geschützt und gewärmt. In kalten und regnerischen Sommern haben sie Probleme damit, ihre Körpertemperatur aufrecht zu erhalten und verbrauchen sehr viel Energie dafür.   Die Abnahme an landschaftlichen Strukturen (wichtig für die Deckung), eine unzureichende Energieversorgung (Verschlechterung der Milchversorgung durch Mangelernährung der Mutter) und die Zunahme an nasskalten Wetterperioden sind mitverantwortlich für die Dezimierung der Hasenpopulation in Deutschland (Hackländer, 2010).  Dann gibt es natürlich noch den zunehmenden Autoverkehr und die Jagd.

Und warum zieht es den Feldhasen nun in die Stadt? Laut Nabu sind es das  Nahrungsangebot auf den großen Freiflächen zwischen den Hochhäusern mit einer vielfältigen Flora, Hecken und Büsche der Grünanlagen als Schutz und auch ein geringerer Feinddruck. Die in Berlin nicht geduldete Jagd auf ihn durch den Menschen kann man hier wohl auch noch anführen.

Es kann also jetzt häufiger passieren, das Spaziergänger auf Hasenjunge treffen. Die Kleinen verlassen sich bei nahender Gefahr auf ihr graubraunes Tarnkleid und drücken sich fest an den Untergrund.  Dieser Ort sollte schnell dem Nabu oder dem Bezirksamt Lichtenberg mitgeteilt werden. Die Jungen sollte man auf keinen Fall anfassen. Sie sind nicht verlassen. Die Mutter wird in der Nacht wenn alles ruhig ist wiederkommen und sie mit Milch versorgen.

Steckbrief:

  • Feldhasen haben bis zu 70 cm Körperlänge und bis zu 6 kg Gewicht (Wildkaninchen sind nicht einmal halb so groß).
  • Hasen sind nachtaktiv und einzelgängerisch, leben nicht in Kolonien.
  • Feldhasen Ohren sind deutlich länger als der Kopf und haben schwarze Spitzen (Unterscheidung von Wildkaninchen).
  • Die Häsin wirft 3- bis 4mal im Jahr (Frühjahr bis Herbst) je 1 bis 3 Junge, die als Nestflüchter sehend und behaart zur Welt kommen.
  • Die Tragzeit beträgt 42-43 Tage.
  • Die Häsin säugt die Junghasen in 24 Stunden (meist nachts) nur einmal wenige Minuten mit einer sehr gehaltvollen, fettreichen Milch.
  • Mit etwa 30 Lebenstagen sind die Jungen entwöhnt
  • Die Häsin bleibt in der Nähe ihrer Jungen, betreibt aber keine Brutpflege im gemeinsamen Nest.
  • Hasen werden in freier Wildbahn im Durchschnitt etwa 4 Jahre alt, in Gefangenschaft bis zu 12 Jahre.
  • Ein Feldhasen kann bis zu 80 km/h schnell werden und aus dem Stand drei Meter weit und zwei Meter hoch springen. Er sucht Rettung in schneller Flucht und Hakenschlag, wenn er verfolgt wird.
  • Feldhasen sind reine Pflanzenfresser und brauchen etwa 1300 bis 1400 Gramm Futter am Tag.

Literatur:

  1. Hackländer (2010): Feldhasen in der Kulturlandschaft : die Bedeutung von Brachen für Nahrungsökologie, Energiehaushalt und Populationsdynamik. Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (FIWI). Veterinärmedizinische Universität Wien

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