Unmöglichkeitsargument

Das U. beruht auf dem Prinzip der Ethik, daß Sollensforderungen nicht grundsätzlich Unmögliches verlangen dürfen. So sind zwar Normen denkbar, die den —> Vegetarismus fordern, aber niemals eine Vorschrift, die das Essen überhaupt verbietet. Gelegentlich wird jedoch versucht, unbequeme ethische Forderungen durch Überspitzung als grundsätzlich unerfüllbar hinzustellen. Dabei wird dann die Forderung nach —> Kohärenz eines Konzeptes in unzulässiger Weise überzogen.

I. Bekanntes Beispiel hierfür ist die Ablehnung des Konzeptes der —> Ehrfurcht vor dem Leben, weil der Mensch nicht leben kann, ohne nicht zumindest (1) pflanzliches Leben zu schädigen oder zu vernichten, (2) sich gegen gefährliche Kleinstlebewesen, Parasiten und Krankheitsüberträger zu wehren, oder (3) bei einem Spaziergang oder mit einem Fahrzeug Insekten zu vernichten. Dabei wird nicht beachtet, daß Schmerzzufügung nur dort verboten sein kann, wo es Schmerz gibt, daß —> Notwehr auch gegen Tiere kein Unrecht ist, und daß unabsichtliches, unwissendes und unvermeidbares Töten qualitativ anders zu bewerten ist, als absichtliches Tun. Trotzdem ist richtig, daß Schweitzers Ethik darin besteht, den Menschen dazu zu bewegen, sich dem unerreichbaren —> Idealziel so weit als nur möglich zu nähern; insofern wird ihm eine zwar schwere, aber nicht grundsätzlich unerfüllbare Forde- rung gestellt. Vgl. hierzu auch den Unmöglichkeitsvorwurf von H. H. Sedlacek –> Gleichheitsgrundsatz XI.

II. Eine Variante des U. ist das Realitätsferneargument, mit dem die Ethik auf eine für die Bevölkerungsmehrheit akzeptable Verhaltens- richtlinie reduziert wird, wie dies beim —> gesetzlichen Tierschutz üblich und auch berechtigt ist. Wer sich dieses Argumentes bedient, läßt aber den Unterschied zwischen ethischen und gesetzlichen Normen (—> Ethische Orientierung II) außer acht und verkürzt das eigentlich Gesollte auf das Praktikable. Von der Ethik zu verlangen, daß sie nur realitätsnahe und für die Mehrheit akzeptable Forderungen stellt, bedeutet, sie der menschlichen Bequemlichkeit zu unterwerfen.

Literatur: Im Text erwähnt.

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