Zoo- und Zirkustiere

Zoo- und Zirkustiere wurden schon im alten Rom, aber auch an vielen Fürstenhöfen des Mittelalters gehalten. Die ersten öffentlichen Menagerien entstanden im 18. und 19. Jahrhundert in den großen Residenzstädten. Z.u.Z. spielen im Tierschutz nur selten eine Rolle, weil die damit verbundenen —> Leiden der Tiere nicht besonders augenfällig sind. Nicht alles, was auf die Besucher belustigend wirkt, ist Ausdruck besonderen –> Wohlbefindens der Tiere, und nicht alles, was ihn bedrückt, muß für die betreffenden Tiere mit Leiden verbunden sein.

Weltweit gibt es etwa 500 große oder doch mittlere Zoos und allein in der Bundesrepublik Deutschland etwa 30 von der Belegzahl her große öffentliche Tiergärten, dazu einige hundert Privatzoos, Wildgehege und Großvolieren. Um die Zahl der betroffenen richtig einzu-schätzen, müssen auch die verlustreichen Wildfänge in den Ursprungsländern, die —> Tiertransporte und der —> Tierhandel mitbedacht werden. Auch Aquarien und Delphinarien sind nicht zu vergessen; insbesondere gegen letztere werden Bedenken vorgebracht (vgl. „natur” 1984, 10. S. 71-75).

I. Dale Jamieson hat (1986) die üblicherweise genannten Funktionen der Tiergärten so aufgelistet: Unterhaltung und Information für die Besucher, Gelegenheit zur wissenschaftlichen Forschung und Erhaltung bedrohter Arten. Gemessen an diesen Zwecken kommt er zu einer Ablehnung der Zoos in ihrer noch weitgehend üblichen Anlage. Nur wirklich tiergerecht angelegte und geführte Zoos hält er für gerechtfertigt.

Den Verantwortlichen wird vorgeworfen, daß sie in der Absicht, möglichst viele exotische Tierarten zu zeigen, diese Tiere auf meist viel zu engem Raum unter naturwidrigen Bedingungen halten; dazu gehört auch, daß ihnen die artgemäße Betätigung, wie etwa Nahrungssuche und die Auseinandersetzung mit anderen Tieren, und ihr natürliches Biotop fehlt. Jean-Yves Domalain, ehemaliger Tierfänger, hält mit seiner Kritik nicht zurück; (1975, S. 158) schreibt er: „Zoologische Gärten sind veraltete Institutionen, die heute keinerlei Daseinsberechtigung mehr haben. Nur ganz wenige können sich rühmen, in irgendeiner Weise nützlich zu sein – außer man ist der Ansicht, daß es nur darum geht, die Gaffer zu amüsieren und den Tierschmugglern zu Reichtum zu verhelfen. Auch der so häufig vorgeschützte erzieherische Wert hat keinerlei Bedeutung mehr. Was soll man lernen, wenn man einen arthritischen Panther auf drei Quadratmetern feuchtem Zementboden herumschleichen sieht, während Film, Fernsehen und Fotos uns die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zeigen? … Bevor die hochempfindlichen Tiere an ihr Endziel gelangen, müssen sie eine unvorstellbare Serie von Strapazen durchstehen. Diejenigen, die überlebt haben, sind in einem beklagenswerten Zustand…” Willy Lützenkirchen (1985, 5. 148) beschreibt ihn so: „In den Käfigen und Gehegen hocken neurotische, oft aggressive oder apathische Kreaturen, lustlose, stumpfsinnige oder gereizte Tiere, die anders sind als ihre Artgenossen in der Wildnis. Zoostreß, Enge, Überfütterung, Einzelhaft sozialer Tiere oder Massenhaltung von Einzelgängern, Beton statt Wüstensand, Glas, Metall und Plastik statt Urwaldbäumen, Fußketten für Elefanten im Winterquartier, enge Gitterzellen für massige Panzernashörner – die Auswirkungen auf die Tierpsyche sind schwer abzuschätzen, lassen aber schwere Störungen des Wohlbefindens, des arttypischen Verhaltens und der tierischen Sozialkontakte erwarten.”

Auch spezielle Vorwürfe sind zu hören, wie z. B. der Erwerb neuer Tiere aus dubiosem —> Tierhandel, der auch streng geschützte Arten nicht schont, oder die persönliche Beteiligung einzelner Zoodirektoren an solchen Fangsafaris, was einem deutschen Zoodirektor eine Geld- strafe in Höhe von 2500,— DM wegen illegaler Einfuhr von Jacobita-Delphinen einbrachte, wie Lützenkirchen (S. 137) mitteilte.

II. Inzwischen bahnt sich eine Wende zum besseren an: Die international organisierten Zoodirektoren haben sich ausdrücklich verpflichtet, das Washingtoner Artenschutzabkommen (–> Naturschutz II)) zu beachten und auf Wildfänge bestimmter Arten zu verzichten. („Schwarze Schafe”, eine ganz und gar nicht gefährdete Spezies, handelt seither mit fälschlich als „Zoogeborene” etikettierten Tieren). Immer mehr Tiergärten fangen an, ihre Artenbestände zu verringern und den verbleiben- den bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Manchmal gelingt es auch, die Tiergartenareale auf bis zu zoo Hektar, das ist die zehnfache Größe durchschnittlicher Zoos, zu vergrößern und durch entsprechen- de Anlage und Bepflanzung der natürlichen Umwelt der Tiere anzupas- sen. Auch für den Tierfreund wird der Besuch solcher Anlagen erfreulicher: Man braucht sich der oft unwürdigen Zurschaustellung der Tiere nicht zu schämen, sondern kann sich über jede gelungene Begegnung freuen, die insofern eine freiwillige ist, als das Tier die Freiheit hat, sie zu akzeptieren oder sich ihr zu entziehen. Die Tiergartenbiologie und Zoosoziologie, an deren Entstehung Heini Hediger (1965a) einen entscheidenden Anteil hat, ist jedenfalls auf dem richtigen Weg, die noch bestehenden Mängel abzubauen und die positiven Leistungen, die es auch bisher schon gegeben hat, zugunsten der Tiere und auch der Arterhaltung zu verstärken. Auch die —> Ethologie nimmt sich insbesondere in der Schweiz verstärkt auch der Z.u.Z. an.

III. Im Zirkus ist vieles ähnlich, manches besser, manches schlechter. Besser, weil die Tiere beschäftigt werden und wenn zugleich die Arbeit mit ihnen auf modernen ethologischen und tierpsychologischen Einsichten beruht, schlechter, wenn sich der Tierlehrer als „Dompteur” fühlt, und weil den Tieren meist nur extrem enge Unterkünfte geboten werden können. J.-Y. Domalein hat die Situation der Zirkustiere (1975) kritisch beschrieben. Daneben gibt es sicher Zirkusunternehmen, die sich ernsthaft und bereichsweise auch mit Erfolg um bestmögliche Lebensbedingungen ihrer Tiere bemühen.

IV. Auf den tierschutzrechtlichen Aspekt der Tierhaltung in Zoo und Zirkus ist Albert Lorz (1979) verschiedentlich eingegangen, einmal im Rahmen der allgemeinen Anforderungen an Haltung, Pflege und Unterbringung (S. 201), dann aber auch (S. 110f.) in Bezug auf Vorführung und Schaustellung der Tiere im Zirkus. Vgl. auch A. F. Goetschel (1986, Sachregister).

V. Die ethische Relevanz der Tiergarten- und Zirkushaltung von Tieren betrifft einmal die Lebensbedingungen der betroffenen Tiere in diesen Situationen, zum andern aber auch die besondere Form der dadurch ermöglichten Begegnung zwischen Mensch und Tier. Dazu kommt die Möglichkeit des Fehlverhaltens mancher Zoobesucher (vgl. H. Hediger 1965), wozu auch das Reizen und Wütendmachen der Tiere gehört, das Lorz (1979, S. 83) als Beispiel für die Verletzung der —> geschöpflichen Würde des Tieres erwähnt.

Insgesamt kommt der Trend in der Zooentwicklung dem Tierschutz deutlich entgegen, und es könnte eine erfolgversprechende Aufgabe regionaler Tierschutzgruppen sein, hier einen entsprechenden Wandel zu verlangen und mit Unterstützung der Bevölkerung auch durchzusetzen. Vgl. auch W. Schulze (1985).

Weitere Literatur: K. Drawer und K. J. Ennulat 1977, S. 180-196, K. Militzer 1986.

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