Max: Opfer eines überholten Hundegesetzes

15. Juli 2016

Als Charles Partzsch seinen geliebten Hund Werner verlor, stand für ihn schnell fest: ein Leben ohne Hund ist nicht vorstellbar. So entschloss er sich einem neuen Hund ein Zuhause zu geben. Bei dem Labrador-Mischling Max war es Liebe auf den ersten Blick. Doch dann bekam Charles Partzsch Ende 2011 Post vom Ordnungsamt, die sein Leben und besonders das seines Hundes Max erheblich einschränken sollte.

„Das Ordnungsamt hält Max für den Nachkommen eines American Staffordshire Terrier und verlangt nun, dass er dauerhaft angeleint ist und einen Maulkorb tragen muss! Dabei ist er ein absolut freundlicher Hund.“, empört sich Ehefrau Petra Partzsch. Mitarbeiter des Ordnungsamtes seien eines Tages auf Familie Partzsch zugekommen, als sie grade ihren Laden verließen, erzählt das Ehepaar. In einem überaus aggressiven Tonfall fragten sie, warum der Hund keinen Maulkorb trüge, schließlich sei er eindeutig ein Kampfhund. Innerhalb einer Woche bekam Familie Partzsch die Aufforderung, Hund Max beim Veterinäramt in Tempelhof vorzustellen, wo zwei Tierärzte den Hund begutachteten. „Sie waren sich uneinig, ob Max nun eher Labrador oder Stafforshire ist.“, erzählt der Halter. „Nach einigem Hin-und Her wurde ein Bilderbuch aufgeschlagen, auf den Staffordshire getippt und ‚Der ist es!‘ gesagt.“ Daraufhin erging ein Bescheid, dass Max als gefährlicher Hund gilt und daher einen Maulkorb tragen muss.

Hund Max in der Haustür

Max mit 5 Monaten

Gegen diese Einschätzung der Rassezugehörigkeit und den damit verbundenen Auflagen legte das Ehepaar Widerspruch ein. Sie führten Max dem Vorsitzenden des American Staffordshire Terrier Club Berlin/Brandenburg vor, anerkannter Sachverständiger zur Einordnung der Hunde nach Rassen, Gruppen und Kreuzungen untereinander. Außerdem veranlassten sie sogar ein DNA-Gutachten, bei dem Max´ Genmaterial mit entsprechenden Vergleichsproben abgeglichen wurde. Beide Untersuchungen ergaben dasselbe: Max ist eine Mischung aus vielen verschiedenen Rassen. Seine Mutter ist ein Labrador-Mix, aber in seinem Stammbaum und damit in seinen äußeren Merkmalen findet sich ein bunter Mix aus vielen Rassen, darunter auch Ridgeback, Boxer und Golden Retriever. Trotz berechtigter Zweifel, dass es sich bei Max um einen reinen American Staffordshire Abkömmling handelt, lenkte die Tempelhofer Veterinärbehörde nicht ein und war auch nach mehrfachen schriftlichen Aufforderungen zu keiner Äußerung in der Sache bereit. Erst im März 2014 wurde ein Obergutachten durch das Veterinäramt Steglitz-Zehlendorf durchgeführt, welches zum selben Ergebnis kam wie schon das erste Gutachten.

An diesem Punkt entschloss sich das Ehepaar Partzsch juristische Unterstützung bei dem Berliner Anwalt Rolf Kemper zu suchen, der eine Klage vor dem Verwaltungsgericht einreichte. Doch das zuständige Veterinäramt zeigte sich vor Gericht selbst dann kompromisslos als der Richter einen Vergleich vorschlug, da Max bisher in keiner Weise aufgefallen war. Die Behörde lehnte es ab, die Auflagen auszusetzen und Max stattdessen zu beobachten. Eine Maulkorbpflicht sei nach ihrer Ansicht indiskutabel. Zudem hätte das Gengutachten genauso wenig Relevanz wie die Begutachtung des durch Familie Partzsch beauftragten Sachverständigen, dem man ein Gefälligkeitsgutachten unterstellte. Stattdessen wurde durch das Gericht ein weiteres Gutachten an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover angeordnet. „Das Gutachten war eine Farce. Jemand ganz anderes als diejenige, die vom Gericht als Gutachter bestimmt wurde, führte letztendlich Max´ Begutachtung durch. Hier wurde einfach das Recht gebeugt und nachträglich ein anderer Gutachter vom vorsitzenden Richter benannt.“, so Charles Partzsch. Da es in Niedersachen keine Rasselisten mehr gibt, hatte der durchführende Sachverständige Prof. Hackbarth aber schon seit vier Jahren keine phänotypischen Gutachten mehr gemacht. Er selbst hatte in Niedersachsen im Landtag ausgesagt, dass die Rassebestimmung über äußere Merkmale überholt sei und trug so zu einer Gesetzesänderung bei. Dennoch war Prof. Hackbarth vom Berliner Gericht aus angewiesen, eine phänotypische Bestimmung vorzunehmen, die schlussendlich zu Max´ Ungunsten ausfiel. Aufgrund dieser Untersuchung in Hannover wurde die Klage der Familie endgültig abgewiesen.

Mittlerweile ist Max fünf Jahre alt. Er ist in seinem ganzen Leben noch nie auffällig geworden. Da Charles Partzsch schon vor Max einen Fundhund adoptierte, welcher dann vom Veterinäramt Charlottenburg als Staffordshire-Mix eingestuft wurde, hat er bereits einen Sachkundenachweis abgelegt. Auch ein einwandfreies polizeiliches Führungszeugnis liegt vor. „Wir waren mit Max extra noch zur Hundeschule, damit wir lernen noch besser mit ihm umzugehen.“, ergänzt Partzsch. Schlussendlich geht es Max´ Halter auch nicht darum, welche Rasse ihr Hund ist. „Das ist uns völlig egal. Aber wir wollen nicht, dass er einen Maulkorb tragen muss, zumal er noch nie auffällig war! Er verbringt den Tag mit uns in unseren Werkstätten und im Ladengeschäft, wo natürlich Menschen ein und ausgehen. Hier gibt es nie Probleme.“, resümiert Partzsch. Leider ist es in Berlin aber so, dass durch die derzeit noch geltende Rasseliste Hunde anhand ihrer Rassezugehörigkeit pauschal als gefährlich eingestuft werden. Selbst ein bestandener Wesenstest und ein Hundeführerschein befreien die Hunde nicht von der Maulkorbpflicht. „Das darf nicht sein!“, findet Max´ Familie. „Nur weil andere Hunde, wohlmöglich aufgrund menschlichen Fehlverhaltens, auffällig waren, nimmt man gleich alle in Sippenhaft? Aus unserer Sicht ist das Drangsalierung. Schon unser alter Hund Werner musste damals einen Maulkorb tragen. Als er dann von einem anderen Hund angegriffen wurde, konnte er weder durch Mimik kommunizieren, noch sich wehren und wurde verletzt.“, erklärt Petra Partzsch ihre Ablehnung eines Maulkorbes. Auch die Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz ist ein vehementer Gegner der Rasseliste und der damit verbundenen Auflagen. Schon vor vielen Jahren prägte unser Beiratsmitglied, die bekannte Kynologin Dr. Feddersen-Petersen, den Ausspruch „Das Problem liegt immer am anderen Ende der Leine.“ Kein Hund kommt böse auf die Welt. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass Hundehalter entsprechend befähigt sind, sich um die Bedürfnisse des ihnen anvertrauten Tieres zu kümmern. Eventuelle Defizite in der Kompetenz mancher Hundehalter kann eine Rasseliste nicht lösen, wohl aber die entsprechende Sachkunde. Daher begrüßt die Erna-Graff-Stiftung das Engagement der Familie Partzsch, die sich zu Recht gegen diese derart unsinnige Rasseliste und deren willkürlicher Auslegung deutscher Behörden und Gerichte zur Wehr setzen. Es ist absolut unverständlich, dass ein Hund, der bisher nie auffällig war, nun gezwungen werden soll, einen Maulkorb zu tragen, weil die Berliner Politik wissenschaftlich überholte Prinzipien in Gesetze fasst. Wieder einmal zeigt sich am Fall von Max, dass in Berlin hochgradiger Politikdilettantismus auf dem Rücken der Tiere betrieben wird.

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