Anwalt der Tiere

Obwohl es sich hier noch um keinen juristischen Be- griff und erst recht um keine Institution der Rechtspflege handelt, werden damit zwei Vorstellungen verknüpft: (1) daß z. B. der Tierarzt (->Tierärztliche Ethik) dazu berufen sei, „Anwalt und Beschützer der Tiere” zu sein (vgl. Codex experiendi der Deutschen Tierärzteschaft 1983, Buchstabe B/3), und (2) daß ein wirkungsvoller Tierschutz auf die Dauer nur möglich sei, wenn ein Amt geschaffen wird, das seine Inha- ber verpflichtet, für die —> Interessen der Tiere einzutreten. Schon Robert von Nippel hat diesen Gedanken (1891, 5.124) erwogen, der in Verbindung mit der Frage nach der –> Rechtsposition der Tiere und im Bemühen um einen verbesserten -> gesetzlichen Tierschutz immer wieder als Forde- rung erhoben wird. So z. B. E. von Loeper (1984, 5. 146): „Entscheidend kommt es deshalb darauf an, die Gesetzbestimmungen soweit wie mög- lich zu verbessern und besonders die Gewährleistung des Tierschutzes

verfahrensmäßig zu sichern: durch einen ,Treuhänder’ als unabhängigen Sachwalter des Tieres. Als gesetzlichem ‚Anwalt des Tieres’ müßten ihm weitgehende Auskunfts-, Handlungs- und Klage- befugnisse zustehen. Weil es daran fehlt, gehen bisher viele Schutznormen ins Leere.” E. von Loeper beruft sich dabei auch auf A. Lorz (1983, S. 8).

Da der Vollzug der Tierschutzgesetze Länder- bzw. Kantonssache ist, können Schritte in dieser Richtung auch im Rahmen derzeit geltender Gesetze erfolgen, z. B. durch eine Maßnahme, wie sie die Stuttgarter Zeitung vom 3.5. 1956 unter dem Titel „Der erste Staatsanwalt der Tiere” berichtet hat: „Den ersten ,Staatsanwalt der Tiere’ gibt es, wie be- richtet, seit kurzem in Duisburg. Die Arbeit seines Sonderdezernates für Tierschutz, das auf Anregung des örtlichen Tierschutzvereins durch den leitenden Oberstaatsanwalt eingerichtet wurde, ist so erfolgreich, daß jetzt der Präsident des Deutschen Tierschutzvereins, der Frankfurter Oberbürgermeister Dr. Kolb, beim Bundesjustizministerium die Schaffung von Tierschutzdezernaten für das ganze Bundesgebiet bean- tragt hat.

,Es ist Pflicht und Ehrenamt des Menschen, in Berührung mit der Kreatur alles vermeidbare Leid zu vermeiden und das unvermeidbare soweit wie möglich zu verringern’, ist der Grundgedanke, den Oberstaatsanwalt Hans Hesse, der Duisburger ,Staatsanwalt der Tiere’, sich bei seiner Arbeit als Maßstab gesetzt hat. ,Keine Versachlichung der Kreatur, aber auch keine Vermenschlichung’ ist der aus der Ehrfurcht vor der Kreatur erwachsene Grundsatz, mit dem der Sachwalter der Tiere nach einem goldenen Mittelweg sucht, um dem Kläger ,Tier’ und dem Beklagten ,Mensch’ gerecht zu werden.” Zum ersten Mal wird hier die Forderung nach —>Gerechtigkeit für Mensch und Tier in konkreter und realisierbarer Form gestellt.

In Verfolgung dieses Zieles haben die Tierschutzverbände schon seit langem die Einsetzung von Tierschutzbeauftragten des Bundes, der Regionen und der Gemeinden gefordert. Bisher sind alle Versuche dieser Art, auch ein Vorstoß im Bayerischen Landtag, den Tierschutzbeauf- tragten wenigstens bei den Kreisbehörden einzusetzen (vgl. den Be- richt der Süddeutschen Zeitung vom 6.8. 1976), gescheitert. Trotzdem hat Klaus J. Ennulat (1978) diese Forderung erneut gestellt und begrün- det. Dabei geht es in erster Linie um den Vollzug des Gesetzes und die Schaffung einer parlamentarischen Kontrollinstanz gegenüber der oft überlasteten Exekutive. Ennulat sieht den Tierschutzbeauftragten als eine Art „Ombudsman” nach skandinavischem Muster, der die „Beschwerden der Bürger zu untersuchen und vorhandene Mängel abzustellen”, zumindest aber festzustellen und auf Abhilfe zu drängen hat.

Was bisher in dieser Richtung unternommen wurde, ist völlig unbefriedigend. Die von den örtlichen Tierschutzverbänden eingesetzten ehrenamtlichen Tierschutzinspektoren haben keine staatliche Befug- nis, und die in der deutschen Tierschutznovelle von 1986 in § 8b geforderten Tierschutzbeauftragten sind nur als Organe der wissenschaftlichen und innerbetrieblichen Selbstkontrolle der—> Tierversuche konzipiert; vgl. hierzu H. Schnappauf (1987). In keinem der vielen anderen Tierschutzbereiche hat man bisher an die Einsetzung von Tierschutzbeauftragten gedacht.

Trotzdem könnte auch unter den gegenwärtigen gesetzlichen Regelungen einiges geschehen. So wäre es durchaus denkbar, nach dem Vorbild der in § i6b der deutschen Tierschutznovelle vorge- schriebenen Kommissionen auch in den Ländern bzw. Kantonen und größeren Gemeinden Tierschutzkommissionen zur Beratung der zuständigen Behörden einzurichten. Auch die Parlamentsfraktionen könnten sachkundige Tierschutzreferenten haben, die der eigenen Partei als Berater und nach außen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen.

Literatur: Im Text erwähnt.

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