Seit dem 1.1.2019 sind weitere Ausführungsverordnungen zum neuen Hundegesetz in Kraft getreten. Damit sind nun endlich alle Verordnungen umgesetzt, 2,5 Jahre nach der Verabschiedung des Gesetzes. Bereits im Vorfeld hatte die Erna-Graff-Stiftung – wie auch viele andere Institutionen und Experten – das Gesetz massiv kritisiert. Grundsätzlich ist es natürlich gut und sinnvoll, sich dem Thema „Hunde in der Stadt“ anzunehmen und eine gesunde und tragfähige Grundlage für ein harmonisches Zusammenleben von Menschen mit Hund und Menschen ohne Hund zu ermöglichen. Dazu sind die neuen Regelungen leider nicht geeignet.
Hier sind die Punkte im Einzelnen und unsere Haltung dazu:
Inhaltsverzeichnis
Die Rasseliste wurde auf von 10 auf 3 Rassen reduziert. Seit September 2016 werden nur noch Bullterrier, Pitbull Terrier und American Staffordshire Terrier und ihre Kreuzungen als gefährlich eingestuft und dürfen nur mit Auflagen geführt werden.
Erna-Graff-Stiftung:
In diesem Punkt teilen wir die einhellige Expertenmeinung: die Rasse eines Hundes ist nicht massgeblich für seine Gefährlichkeit. Studien belegen, dass nicht aus der Abstammung auf angeborene Aggressivität rückgeschlossen werden kann.
Zum 1.1.2019 ist der Leinenzwang in Kraft getreten, der nun generell in der ganzen Stadt gilt. Ausnahmen gibt es für alle Hunde, die ohne gemeldete Vorfälle bereits vor der Verabschiedung des Gesetzes 2016 gehalten wurden. Dies kann durch entsprechende Unterlagen (Steuerbescheid, Versicherungspolice o.ä.) nachgewiesen werden. Ausserdem kann ein Sachkundenachweis / Hundeführerschein erworben werden, der den Hundehalter vom Leinenzwang befreit. In beiden Fällen gelten dann die Regelungen des vorherigen Gesetzes: der Hund darf auf unbelegten Strassen und Plätzen und auf Brachen ohne Leine laufen.
Erna-Graff-Stiftung:
In einer Stadt mit zuwenig Auslaufflächen einen generellen Leinenzwang einzuführen ist geradezu tierschutzwidrig. Hunde müssen sich frei bewegen können, Bewegung ausschliesslich an der Leine genügt keinesfalls, um einen Hund artgerecht halten zu können. Da es in Berlin aber zuwenig kieznahe Hundeausläufe gibt, braucht es nicht einen generellen Leinenzwang, sondern im Gegenteil auch die Freigabe der städtischen Grünanlagen. Das Beispiel München zeigt, dass ein geeigneter Kompromiss durchaus erfolgreich sein kann. Selbstverständlich gibt es Orte, an denen Hunde angeleint sein müssen (Fussgängerzone, Einkaufsmeilen) oder die sie gar nicht betreten sollen (Kinderspielplätze), aber überall sonst dürfen Hunde leinenlos laufen. Den Nachweis über die Dauer der Haltung des Hundes ständig bei sich zu tragen, also einen Steuerbescheid z.B., ist irrwitzig und wenig pragmatisch. Die nachträgliche Einreichung einer entsprechenden Unterlage zum Nachweis verursacht einen immensen bürokratischen Aufwand.
Mit dem Leinenzwang geht auch der Sachkundenachweis oder Hundeführerschein einher, da er den Hundehalter vom Leinenzwang befreit. Er muss nur abgelegt werden, wenn der Hund nach 2016 angeschafft wurde und besteht aus einer theoretischen und eine praktischen Prüfung. Wenn diese Prüfung erfolgreich abgelegt wurde, kann der Hundehalter eine entsprechende Bescheinigung beim Ordnungsamt anfordern. Als sachkundig gelten ausserdem automatisch Tierärtze/innen, und Diensthundeführer/innen. Jede Person in einem Haushalt muss die theoretische Prüfung ablegen, jeder Hund ein einem Haushalt muss die praktische Prüfung machen.
Erna-Graff-Stiftung:
Grundsätzlich ist gegen einen Sachkundenachweis oder sog. Hundeführersein nichts einzuwenden. Auch die Erna-Graff-Stiftung vertritt die Meinung, dass gerade Erst-Hunde-Besitzer sich vorab umfangreich informieren sollten. Das betrifft zunächst die Auswahl der Hunderasse, die zum Lebensalltag des Halters und dessen Familie passen muss. Es ist wichtig die unterschiedlichen Bedürfnisse der Hunderassen und -charaktere mit den Gewohnheiten, Vorlieben und Hobbies der Halter abzugleichen. Gerade in Familien muss die Auswahl sehr sorgfältig getroffen werden, da der Hund mit Erwachsenen und Kindern umgehen muss und nicht – wie ein Einzelhund – eine Solo-Beziehung zu seinem Herrchen oder Frauchen hat. Auch Grundkenntnisse über Hunde-Erziehung und Ernährung und nicht zuletzt auch über die gesetzlichen Bestimmungen, die in der Stadt gelten, sollten vorab vermittelt werden. Wenn dieses Grundwissen gewährleistet wird, tauchen viele Probleme und Konflikte erst gar nicht auf. Der Erwerb des Hundeführerschein muss niedrigschwellig sein und sollte Spass machen. Wenn man ihn aber mit Ausnahmen spickt und damit überbürokratisiert, wird er schwerlich in der Bevölkerung angenommen werden und greift nicht an den richtigen Stellen.
Ausser dem Microchip oder auch Transponder, auf dem alle wichtigen Hunde- und Halterdaten gespeichert sind, ist es nun auch verpflichtend, Name und Adresse des Halters gut lesbar auf dem Halsband oder Geschirr anzubringen.
Erna-Graff-Stiftung:
Im Zeitalter von Datenschutzgrundverordnungen ist das nach unserer Meinung eine unhaltbare Forderung. Mal ganz abgesehen davon, wie das in der Praxis aussehen mit soviel Information auf einem Halsband? Das Verfassungsgerichtshof sieht das allerdings anders und lehnt die Verfassungsbeschwerde eines Hundehalters mit der lapidaren Begründung ab, seine Rechte seien nicht in gewichtigem Masse eingeschränkt.
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