Hummer im Tierschutz

In der Gastronomie werden Hummer und andere Krebse als Krustentiere oder auch als Früchte des Meeres bezeichnet. Sie gelten weltweit als Delikatesse und werden in großen Mengen gefangen und über weite Strecken transportiert. Lebend noch landen sie beim Verkäufer im Geschäft  und sind in Deutschland die einzigen Tiere, die lebend auch an Privatpersonen für die Küche verkauft werden dürfen (TierSchlV, 2012, Abschnitt 3, §§9 & 10). Ihre Tötung, aber auch Transportmethoden und Hälterung bis Verkauf an den Endverbraucher müssen auf Verstöße gegen das Tierschutzgesetz (TierSchG §§1 & 2) geprüft werden können.

Hummer mit verbundenen Scheren.
Auch Hummer sind leidensfähige Tiere.

Hummer sind Krebstiere und gehören zu einer sehr alten Tiergruppe, die vor hunderten von Millionen Jahren bereits erfolgreich Meere, Süßwasser und das Land besiedelt haben. Seit Jahrhunderten werden sie gefangen und verwertet und etwa seit Mitte 1800 auch in großen Mengen kommerziell gehandelt (in: A Guide to Lobstering in Maine, 2009). Aber erst in jüngerer Zeit ist erwiesen, dass es sich um Tiere handelt, die lernfähig sind und sowohl Stress, Angst als auch Schmerz empfinden können (Barr et al. 2007) Krebstiere sind leidensfähig im Sinne des Tierschutzgesetzes und ihr Leid muss so gering wie nur möglich gehalten werden. Das Verwaltungsgericht Berlin hat 2017 erstmalig die Leidensfähigkeit von Hummern und anderen Krebstieren anerkannt.

Systematik der Krebstiere

Den Namen Krustentier verdanken Krebstiere ihrem Schutzpanzer. Es sind wirbellose Tiere (Invertebraten), die anders als die Wirbeltiere (Vertebraten), keine im Körper liegenden Knochen besitzen, sondern ein panzerartiges Exoskelet ausbilden, das ihnen mit den innenliegenden Muskeln die Bewegung ermöglicht und den Körper schützt. Das Exoskelet wird von den äußeren Epithelzellen nach außen abgesondert und bildet eine feste, starre Hülle aus Chitin und eingelagerten Proteinen um den Körper. Ein wachsender Krebs muss seine Hülle daher von Zeit zu Zeit abstoßen. Nach der Häutung ist die neue Hülle  noch weich und bietet dem Körper keinen Schutz. Erst durch Einlagerung von Kalk wird sie wieder gehärtet und zu einem Panzer aufgebaut. In dieser Phase der Aushärtung sind Krebstiere weich und empfindlich und können auch Opfer kannibalischer Artgenossen werden.

In der zoologischen Systematik gehören Krebstiere zum Stamm der Arthropoden (Gliederfüßer) und bilden hier mit u.a. den Hummern, Krabben, Wasserflöhen, Garnelen, Einsiedlerkrebsen oder den Flusskrebsen den gemeinsamen Unterstamm der Crustacea  mit mindestens 52.000 rezenten Arten. In ihrer nächsten Verwandtschaft finden wir die Insekten, Tausendfüßer und Spinnentiere. Sie besitzen ein System von strickleiterartig miteinander verbundenen Ansammlungen von Nervenzellen, den Ganglien. Im Kopf findet sich, mit diesen verbunden, eine gehirnartige Struktur, das Oberschlundganglion. Der Blutkreislauf ist offen, so dass die Hämolymphe im Körper frei zirkuliert.

Innerhalb der Krebstiere bilden die Hummer eine eigene Klasse der Malacostraca (Höhere Krebse) und sind in dieser in die Ordnung der Dekapoden (Zehnfußkrebse) eingeordnet und bilden hier eine eigene Familie der Hummerartigen (Nephropidae) mit mehreren verschiedenen Arten. Gemeinsames Merkmal aller Hummerartigen sind die Scheren an den ersten drei Beinpaaren. Die Scheren des vordersten Beinpaares sind stark vergrößert und werden zum Ergreifen und zum Zerteilen von Nahrung aber auch bei innerartlichen Auseinandersetzungen eingesetzt. Die Scheren sind ungleich groß, kräftig und schnell und haben daher unterschiedliche Funktionen in der Nahrungsbeschaffung.

Der Panzer bedeckt als ‚Carapax‘ Kopf und Rücken durchgehend. Der Hinterleib mit dem Schwanz ist in seinen Segmenten beweglich, so dass eine schnelle Einschlag- und Streckbewegung möglich ist.

Biologie der Hummer

Lebensraum und innerartliches Verhalten

Alle Hummerartigen kommen ausschließlich im Meer vor. Anders als manche anderen Krebstiere haben Hummerartige weder Land- noch Süßwasserformen entwickelt. Sie können nur in Salzwasser überleben und sind wenig tolerant bei Abweichungen des Salzgehalts, denn in Wasser mit für sie ungünstiger Salzkonzentration können sie das Körperwasser und den Körpersalzgehalt nicht konstant halten. Die Haltung von Hummern ist daher ausschließlich in Wasserbecken mit einem Salzgehalt von ca. 35-40g Salz/l Wasser möglich. Bringt man einen Hummer in Süßwasser, dringt Wasser in seinen Körper ein und es kommt zu Schwellungen und zu Änderungen im Verhalten (Beard & McGregor, 2004). Für den Hummer ist ein Aufenthalt im Süßwasser qualvoll und endet tödlich.

Hummer sind nachtaktive Bewohner des Meeresbodens. Hier suchen sie sich Höhlen oder Nischen, aus denen sie nur bei Dunkelheit hervorkommen, um auf Nahrungssuche zu gehen. Ein sicherer Unterschlupf ist für einen Hummer überlebenswichtig, denn in der Zeit der Häutung sind sie schutzlos Feinden ausgeliefert. Hummer suchen bevorzugt Höhlen aus, in denen sie physischen Kontakt mit den umgebenden Wänden haben können (thigmotaktisches Verhalten), haben aber immer größte Präferenz für dunkle Höhlen (negative phototaxis was more important than positive thigmotaxis;  Cobb 1971). Nachts können Hummer große Strecken zurücklegen und haben Aktionsräume (home ranges) von bis zu 20.000 qm, wobei das Gebiet der intensivsten Nutzung (core area) aber weniger als 100 qm beträgt (Moland et.al. 2011; Scopel et.al. 2009). Ihre nächtlichen Ausflüge nutzen sie auch, um sich einen Überblick über das Angebot und die Besetzung von brauchbaren Schutzhöhlen zu verschaffen (Karnofsky et. al. 1982). Hummer leben solitär und sind Artgenossen gegenüber aggressiv und auf Distanz bedacht. Benachbarte Hummer tragen daher miteinander Kämpfe aus und regeln über Dominanz und Subdominanz ein komplexes Sozialgefüge. Hummer können sich individuell erkennen und merken sich über längere Zeit den Geruch des ihnen überlegenen Artgenossen. Daher können sie einem erneuten Kampf mit dem dominanten Hummer ausweichen. In ihrer natürlichen Umgebung ist aggressives Verhalten und auch Kannibalismus eher selten zu beobachten (Cobb & Phillips 1980). In Gefangenschaft hingegen zeigen Hummer ein wesentlich aggressiveres Verhalten mit Beschädigungskämpfen gegenüber ihren Artgenossen, das sich noch verstärkt, wenn den Tieren keine Schutzhöhlen zur Verfügung gestellt werden. Wird ihnen nicht genug Nahrung angeboten, kommt es in Gefangenschaft dann auch zu Kannibalismus (Krekorian et.al. 1974).

Fortpflanzung

Hummer beiderlei Geschlechts sind zwar auf Distanz zu Artgenossen bedacht, einen friedlichen gegenseitigen Höhlenbesuch gibt es aber in der Paarungszeit. Weibliche Hummer suchen sich aktiv das Männchen im Gebiet aus, das gegenüber der Nachbarschaft dominant ist. Dazu werten die Weibchen unter anderem chemische Signale aus, die das Männchen mit dem Urin ausscheidet. Dieses Männchen wird das Weibchen mehrfach besuchen und sich mit ihm bekannt machen, in dem sie ihren mit sexual Duftstoffen beladenen Urin in seine Höhle spritzt. Die Partnerwahl findet in den Wochen vor der bevorstehenden nächsten Häutung des Weibchens statt. Wenn der Termin der Häutung nahe ist, zieht sie bei ihm ein und wird bis zu 3 Wochen bei ihm leben. Sobald sie eingezogen ist, wird sie sich ihrer Hülle entledigen. Bereits 30 Minuten danach findet die Paarung statt, bei der das Männchen dem auf dem Rücken liegenden Weibchen sein Sperma auf die Bauchseite legt. Die Befruchtung findet später außerhalb ihres Körpers statt, sobald sie ihre Eier hinzufügt. Frisch gehäutet ist das Weibchen weich und schutzlos den Prädatoren ausgeliefert. Daher bleibt sie bei dem Männchen bis ihr neuer Panzer härter geworden ist. Das Männchen profitiert auf zweierlei Weise: zum einen kann er den zurückgelassenen Panzer fressen und zum anderen verwirbelt er die Duftstoffe in der Höhle und bringt sie nach draußen. Dadurch werden andere paarungswillige Weibchen angelockt, so dass nach dem Auszug der einen, bereits die nächste am Höhleneingang auf den Einzug wartet. Die befruchteten Eizellen bleiben 9-11 Monate auf der Unterseite des Weibchens, wo sie das Weibchen regelmäßig mit dem Schwanzfächer belüftet. Die schlüpfenden Larven sind freischwimmend und lassen sich erst nach einigen Häutungen auf dem Meeresboden nieder (Atema 1986).

Sinneswahrnehmungen

Hummer sind zwar dick gepanzert, aber durch den Besitz von Sinneszellen für chemischen und mechanischen Reizempfang können sie ihre Umwelt fein differenziert wahrnehmen. Ihre wichtigsten Sinne sind der Geruchs- und der Tastsinn. Hierfür dienen dem Hummer die zwei paarigen Antennen am Kopf, mit denen das Tier Geruchsmoleküle im Wasser wahrnehmen kann. Mit den Antennen kann der Hummer nicht nur die Richtung einer Duftquelle und also auch Nahrung orten, sondern auch die Identität eines Artgenossen an dessen Uringeruch erkennen bzw. sich über seinen Urin selbst zu erkennen geben. Ebenfalls sehr empfindsam reagieren die Mechanorezeptoren und Tasthaare auf den Antennen auf Berührungsreize. Sinnesborsten sitzen auch an den Scheren und über den Körper verteilt. Mit ihrer Hilfe kann sich der Hummer auch bei völliger Dunkelheit räumlich orientieren und Höhlen auf ihre Eignung als sicheren Unterschlupf überprüfen. Hummer besitzen auch ein Paar bewegliche, gestielte Facettenenaugen (Komplexaugen), können durch sie aber nur ein eher unscharfes und grob gerastertes Bild vermittelt bekommen.

Schmerz-, Angst- und Stressempfinden

Erst neuere Studien beschäftigen sich auch mit der Schmerzwahrnehmung bei Krebstieren (Magee & Elwood 2013).

Krebstiere besitzen auf den Antennen spezialisierte Sinneszellen, die bei Gewebeschädigung als Schmerzreiz ansprechen. Werden diese Nozizeptoren mechanisch oder chemisch gereizt, führt dies zu einer Vermeidungs- und Fluchtreaktion. Solche Reaktionen wurden früher als Reflex betrachtet und es wurde angenommen, dass sie nur dazu dienen, der schädigenden Situation auszuweichen. 2007 konnten von Barr et al. (2007) im Experiment nachweisen, dass es sich nicht etwa ‚nur‘ um einen Reflex handelt, der unabhängig von der Lokalisation des Schmerzreizes einsetzt, sondern dass Krebstiere den Schmerz auch als solchen empfinden. Wenn zum Beispiel die empfindlichen Antennen mechanisch oder chemisch geschädigt werden, versuchen die Tiere den Schmerzreiz durch Reiben und Putzen genau dieser Stelle loszuwerden. Sie lernen im Experiment, dem nächsten Schmerzreiz zu entgehen und sie reagieren sogar positiv auf die Gabe von lokalem Betäubungsmittel. Diese Experimente zeigen, dass Krebstiere Schmerzen wahrnehmen können, ihnen ausweichen möchten und sich auch an die Schmerzsituation erinnern. Sie sind leidensfähig und sind hierin trotz aller Unterschiede im Körperbau und Nervensystem nicht wesentlich von Wirbeltieren unterschieden.

Eine neue Studie von Fossat et. al. (2014) weist Krebsen auch die Fähigkeit nach, Angst und Stress zu empfinden. In dieser Studie reagierten gestresste Krebse positiv auf die Gabe von Benzodiazepin, einem Beruhigungsmittel, das auch beim Menschen eingesetzt wird, um Angst und Unruhezustände zu dämpfen. In Verbindung mit stress- und angstauslösenden Situationen stehen die einzigen Lautäußerungen, die vom Hummer bekannt sind. Es sind Vibrationen, die im Wasser als sehr tieffrequente (<300 Hz) Geräusche wahrgenommen werden. Sie entstehen durch Anspannungen der Muskeln an der Basis der zweiten Antennen und lassen den Körper merklich vibrieren. Die Vibrationen werden als kurze Pulse (im Mittel 277 ms) schnell hintereinander erzeugt. Vermutlich kann ein vibrierender Hummer einen Angreifer so irritieren, dass er seine Beute loslässt (Henninger & Watson 2005). In Momenten größter Not können Krebstiere Gliedmaßen oder sogar Zangen abwerfen. Die sogenannte Autotomie finden wir auch bei manchen Eidechsen, die dem Angreifer ihren Schwanz überlassen, um doch noch fliehen zu können. Für das Krebstier bedeutet das für eine lange Zeit große Beeinträchtigung und Gefahr, denn der Verlust kann erst nach einigen Häutungen wieder ausgeglichen werden. Ist eine der Zangen betroffen, wird nicht nur die Nahrungssuche erschwert, sondern auch die Verteidigung kann nicht mehr effektiv erfolgen. In einer Studie zu verschiedenen Methoden der Tötung von  Krabben, wurde das Gliederabwerfen als ein Kriterium für empfundenen Distress gewertet. Im Experiment zeigten Krabben dieses Verhalten, wenn sie in Süßwasser gelegt wurden. Der Tod aber trat erst nach 3-5 Stunden ein (Gardner 1997).

Hummer in der Gastronomie

Hummer mit abgebundenen Scheren.
So werden die Hummer mehrere Tage bis Wochen ohne Nahrung lebend “gelagert”.

Drei Arten Hummer sind für die Hummerindustrie vor allem von Interesse: Der Europäische Hummer  (Homarus gammarus) ist in fast allen europäischen Meeren zu finden und lebt in Tiefen von zwei bis maximal 150 Meter. Sein Vorkommen reicht von Nordnorwegen bis zum Mittelmeer, den Azoren, vor der marokkanischen Küste, sowie in der Ägäis, im Marmarameer und an den Küsten Bulgariens und Rumäniens im westlichen Schwarzen Meer. In der Nordsee kommt der Europäische Hummer unter anderem bei Helgoland vor. Sein stärkstes Vorkommen ist im Bereich der britischen Inseln. In der Ostsee könnte er wegen ihres geringen Salzgehalts nicht lange überleben. Der Amerikanische Hummer (Homarus americanus) ist an der nordwestamerikanischen Atlantikküste bis 700m Tiefe heimisch. Das Verbreitungsgebiet reicht von den Küstengebieten der kanadischen Provinz Labrador etwa bei der Insel Belle Isle im Norden bis zum Cape Hatteras des US-Bundesstaates North Carolina im Süden (Grol et.al. 2006), Von Menschen eingebürgert kommt der Amerikanische Hummer seit etwa 1999 als Neozoon an der norwegischen, schwedischen und dänischen Atlantik- bzw. Nordseeküste vor und kann als Gefahr für den Bestand des Europäischen Hummer gesehen werden. Der Norwegische Hummer (Nephrops norvegicus), auch Kaisergranat genannt, ist im Atlantik vom Nordkap bis Marokko und im Mittelmeer beheimatet und lebt an der Ost- und Westküste von Schottland, in der Nordsee, an der atlantischen Küste vor Frankreich und Spanien, sowie in der Adria. Der Kaisergranat wird in seinem gesamten Verbreitungsgebiet befischt und gilt als kommerziell wichtigster Krebs in Europa (Bell et.al. 2010) Im Jahr 2010 waren es 66.544 Tonnen. Als Hauptfanggebiet gilt der Nordostatlantik (in: Species Fact Sheets Nephrops norvegicus. Food and Agriculture Organization of the United Nations). In den Handel kommen in der Regel nur die Schwänze dieser Tiere als ‚Langustenschwänze‘ oder ‚Scampi‘. Hummer können über 60 Zentimeter lang werden und ein Gewicht von mehr 4 kg erreichen. Der größte Europäische Hummer, der jemals gefangen wurde, war 1,26 Meter lang und 9,3 Kilogramm schwer (in: Biology of the European lobster, Homarus gammarus. The National Lobster Hatchery http://www.nationallobsterhatchery.co.uk/whats-it-all-about/education/lobster-biology/). Der wohl schwerste jemals gefangene amerikanische Hummer wog 20,1 Kilogramm (Heaviest Marine Crustacean. Guinness World Records).

Die Lebenserwartung eines Hummers beträgt mehrere Jahrzehnte, vermutlich sogar über 100 Jahre.

Fang, Hälterung und Transport der Hummer

Über 96% aller weltweit gefangenen und auch in Deutschland verkauften Hummer stammen aus nordamerikanischen Küstengewässern. Der Fangertrag lag 2009 bei 100.000 t des Amerikanischen Hummers (in: Species Fact Sheets Homarus americanus. Food and Agriculture Organization of the United Nations) und bei etwa 4500 t des Europäischen Hummers (in: Species Fact Sheets Homarus gammarus. Food and Agriculture Organization of the United Nations).

Die Aufbewahrung beim Händler und den Transport zum Verbraucher müssen Hummer in vielen Fällen lebend erdulden, da bei ihnen die Zersetzungsprozesse nach dem Tod schneller ablaufen, als beispielsweise bei den Fischen (Lorenz  2006).

Sollen Hummer lebend weitergegeben werden, hält man sie nach dem Fang bis zum Weiterverkauf an den Händler oder Endverbraucher oft mit zugebundenen Scheren in großen Stückzahlen in Meerwassertanks. Nicht selten werden Tiere in solcher Haltung bis zu 6 Monaten ohne Nahrung gehalten (Klinkhardt 2013).

Die Praktiken bei der Hälterung lassen sich mit der Lebensweise des Hummers als solitäres, nachtaktives und auf Rückzug bedachtes Tier jedoch kaum mit dem Tierschutz überein bringen. Das Tierschutzgesetz fordert in § 2:

Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,

1. muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,

2. darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,

3. muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.

Eine große Einschränkung erfährt der Hummer alleine schon durch das Zusammenbinden seiner Scheren. Das Zusammenbinden erfolgt prophylaktisch zur Verhinderung von gegenseitigen Verletzungen. Würde man den hungrigen Tieren ihre Waffen, die Scheren unverschnürt lassen, käme es in der Enge zu erhöhter Aggression, zu Beschädigungskämpfen untereinander und auch zu Kannibalismus (s.o.). Die Tiere sollten zwar laut LAV (Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz. https://www.verbraucherschutzministerkonferenz.de/LAV.html, 2013) durch gebundene Scheren nicht massiv beeinträchtig werden, da sowohl eine Nahrungsaufnahme als auch die Drohgebärde mit erhobenen Scheren beispielsweise trotzdem möglich sind. Andererseits haben Untersuchungen an Krabben gezeigt, dass die Nähe von Artgenossen bei Krabben zu deutlichen Stressreaktionen führt, wenn sie sich wegen fehlender Scheren nicht angemessen verteidigen können (Patterson et.al. 2007). Ob bei Hummern die erlebte Nutzlosigkeit ihrer Scheren ebenfalls ein Stressfaktor ist, wurde noch nicht untersucht. Es ist aber bekannt, dass Hummer, denen eine Schere fehlt, ein abweichendes Verhalten beim Verstecken im Unterschlupf zeigen. Anders als intakte Hummer, die immer mit Antennen und Scheren dem Eingang zugewandt ruhen, drehen scherenlose Hummer den Kopf zum hinteren Ende der Höhle (Karnofsky et.al. 1989).

Der Weitertransport aus den Ursprungsländern nach beispielsweise Deutschland erfolgt außerhalb des Wassers und sollte daher auf dem schnellsten Weg  und in der Regel mit dem Flugzeug erfolgen. Der Lufttransport von Tieren unterliegt einer Reihe komplexer Vorschriften und Gesetze. Für die Beförderung von Hummern gilt die Container-Richtlinie 57 der IATA International Air Transport Association (IATA. 2014. http://www.petshipping.com/de/tiertransport/). Die Tiere werden beim Transport in Kisten feucht eingepackt und zudem gekühlt, um die Stoffwechselaktivität und somit den Sauerstoffbedarf herabzusetzen. Hummer werden bis zu 48 Stunden auf diese Art und Weise transportiert. Da bereits nach 36 Stunden mit einem deutlichen Anstieg der Mortalitätsrate zu rechnen ist, sieht Fröhlich (1997) eine Haltung von über 48 Stunden außerhalb von Salzwasser als Verstoß gegen § 2 des Tierschutzgesetzes an.

In der gesamten Transportzeit müssen Hummer den benötigten Sauerstoff aus der atmosphärischen Luft beziehen. Ist die Umgebung feucht genug, um die Kiemen nicht austrocknen zu lassen, ist es den Tieren über diese Zeit hin möglich, den Gastaustausch mit der Umgebungsluft zu bewerkstelligen. Für Hummer gibt es Erfahrungswerte, wonach die Überlebensdauer an der Luft maximal 4–5 Tage betragen kann.

Neben dem langsamen Erstickungstod beginnt für die außerhalb des Wassers gehälterten Hummer auch ein Prozess der Selbstvergiftung, da sie in ihrem Körper als Stoffwechselprodukt das toxische Ammoniak,  ein starkes Zellgift, anreichern müssen. Nur im Wasser kann das wasserlösliche Ammoniak nach außen abgegeben werden und wird dann verdünnt keinen Schaden anrichten. Bringt man einen Hummer aber nach längerem Aufenthalt an der Luft wieder in ein Wasserbecken, kann er die angesammelten Stoffwechselprodukte in großer Menge abgeben. Dadurch kann der Hummer sich und die mitgefangenen Hummer im Behälter vergiften.

Müssen Hummer nach dem Trockentransport weiter aufbewahrt werden, muss das in Wasser mit geeignetem Salzgehalt, Sauerstoffgehalt und Temperatur geschehen.

Im Merkblatt zur Hälterung von Hummern im Groß- und Einzelhandel der LAV (2013), werden unter anderem die nötigen Wasserparameter (Temperatur, Salzgehalt, Stickstoffverbindungen), Eigenschaften der Becken (Hell/Dunkelbereiche, Größe), die erlaubte Hälterungsdauer (maximal 7 Tage bei Temperaturen bis zu 10 °C) sowie die zeitlichen Abstände der Kontrolle durch kompetentes Personal angegeben. Hier wird auch gefordert, dass bei der Abgabe lebender Hummer dem Endverbraucher ein Merkblatt mitgegeben werden muss, aus dem er entnehmen kann, wie weiterhin tierschutzkonform mit ihnen umzugehen ist. So ist beispielsweise eine weitere Aufbewahrung an der Luft, auf Eis oder im Kühlschrank verboten (TierSchlV vom 20.12.2012). Der Endverbraucher aber kann nicht immer hinsichtlich des Umgangs mit dem gekauften Hummer kontrolliert werden. Daher muss gefordert werden, keine lebenden Hummer in Deutschland zu verkaufen.  Da andererseits die Hummer auch auf den langen Transportwegen nach Deutschland Leid und Stress ausgesetzt sind, muss auch die Forderung nach einem Einfuhrverbot lebender Hummer nach Deutschland berechtigt sein. Hummer könnten bereits am Fangort oder wenigstens zeitnah zum Fang mittels Elekroschock betäubt (in: Crustastun, Mood, A. fishcount.org.uk), getötet und tiefgefroren werden. In den Handel kämen dann nur noch gefrorene Hummer. Wer auf Hummer auf dem Teller nicht verzichten will, hat hier eine Alternative zum lebend gehandelten und ohne Betäubung getöteten Tier.

Angesichts des Leids der Hummer und der anderen Krebstiere ab Fang bis zu ihrem Tod, sollte sich der Verbraucher aber doch fragen, ob er nicht auch vollständig darauf verzichten könne.

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Literatur

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