Empathie ist ein in Anlehnung an die Begriffe „Sympathie” und „Antipathie” gebildetes Kunstwort, das Einfühlung bedeutet. E. als Methode zum besseren Verstehen eines Partners wurde zuerst von der Psychologie und Soziologie, dann auch von der Pädagogik und Ethik aufgenom- men. Unter ethischem Aspekt bedeutet E. die Fähigkeit und Bereitschaft, den jeweils anderen durch Einfühlung besser zu verstehen, um besser auf ihn einzugehen, ihm besser helfen und gerecht werden zu können. E. ist eine besondere Art von Mitgefühl, die –> Barmherzigkeit und —>Solidarität bewirkt.
Wie bedeutungsvoll der ethische Aspekt ist, zeigt sich schon aus der Wirkungsweise der —> Goldenen Regel, die von uns verlangt, den anderen jeweils so zu behandeln, wie man selbst behandelt werden möchte. Wer zur Befolgung dieser Regel nur davon ausgeht, was er sich in der Lage des anderen wünscht, kann leicht eine falsche Entscheidung tref- fen, wenn er nicht darum bemüht war, sich in die möglicherweise anderen Wünsche oder Bedürfnisse seines Partners hineinzuversetzen. E. wird so zur Fähigkeit, andere Menschen oder auch andere Lebewesen in ihrer Situation besser zu verstehen, indem wir ihre Gefühle mitfühlen und gleichzeitig versuchen, ihre Situation aus ihrer Sicht zu begrei- fen und sie in der Ähnlichkeit oder Andersartigkeit ihres Wesens rational zu erkennen.
Befähigung zur E. kann zweierlei Folgen haben: entweder nur ein Lernen für das eigene Verhalten in vergleichbaren Situationen oder eine auf den anderen abzielende Aktion. Ist die Bereitschaft zu solcher Aktion vorhanden, dann entsteht zur E.fähigkeit die zusätzliche E.bereitschaft als ein bewußtes oder unbewußtes und graduell unterschied- liches Drängen danach, dem jeweils anderen aus dem gelungenen Verstehen heraus handelnd und helfend zu begegnen. E. hat einen situativen und personalen Bezug. Situationsbezogene E. besteht, wenn man sich nur in die Situation des anderen hineinversetzt, um sich zu fragen, wie man wohl selbst, d. h. mit dem eigenen Wesens-, Wissens- und Erfahrungshintergrund reagieren würde, während man von einer personenbezogenen E. nur dann reden kann, wenn man gleichzeitig auch versucht, sich in die Person des anderen und dessen biographischen Hintergrund einzufühlen.
E. ist aber nicht nur für die zwischenmenschliche Sozialethik von Belang, sondern auch für die Beziehung des Menschen zu seinen Mitlebewesen. Der Mensch, der aus seiner traditionell anthropozentrischen Verengung heraustritt und auch das Verhalten gegenüber anderen Lebewesen unter ethischem Aspekt betrachtet, bedarf auch hier der E., um seine Mitlebewesen in ihrer Gemeinsamkeit und Andersartigkeit zu verstehen und entsprechend zu behandeln. Er muß sich dabei der Gefahr des —> Anthropomorphismus, d. h. der Vermenschlichung seines Partners immer bewußt sein. Vom Einfühlenden wird Selbstlosigkeit verlangt, nur so kann er die heuristische Chance der E. so nutzen, wie dies V. C. Dethier vom „diszipliniert angewandten Anthropomorphismus” (vgl. Paul Overhage1972, S. 24) angenommenm hat.
Dies haben schon verschiedene Autoren so gesehen: Anton Neuhäusler (1963, S. 91) in der Definition der —> Humanität und Theodor Geiger(1931, S. 306), der hinsichtlich der Beziehung des Menschen von der „Einfühlungsmethode” (S. 283) bzw. von „einfühlender Haltung” (S. 3o5) spricht und dabei auf den Zusammenhang mit der Du-Evidenz hinweist.
Das Phänomen der Einfühlung ist natürlich älter. Schon Jean Paul erwähnt in § 117 seiner „Levana” die Bedeutung der „Versetzung in fremdes Leben”, wobei er darunter auch das außermenschliche Leben meint, wie sich aus dem nachfolgenden § 118 ergibt, der mit dem Satz beginnt: „Nämlich das Kind lerne, alles tierische Leben heilig halten . . .”
Weitere Literatur: M. Fox 198o, S. 197-209, D. Ikeda und A. Toynbee 1983, J. L. Mackie 1981, E. E. Rollin 1981, S. 151-154, G. M. Teutsch 1977a.