Konflikt

Konflikt wird hier als Situation verstanden, in der Interessen, Güter, Pflichten, Werte, Normen oder Ziele miteinander (z. B. Interessen und Pflichten) oder untereinander (z. B. verschiedene Werte) konkurrieren oder sich sogar widersprechen. K.e können zwischen Personen, zwi- schen Personen und Institutionen oder Institutionen untereinander entstehen, aber auch in der einzelnen Person selbst (intrapersonaler K.). Ein ethisch relevanter K. liegt dann vor, wenn —> ethische Werte mit anderen, nicht ethischen Werten oder Gütern kollidieren. K.e dieser Art dürfen nicht durch —> Kompromiß, sondern nur durch —> Güterabwägung gelöst werden. Ein ethischer K. ist dann gegeben, wenn ein Wert nur auf Kosten eines anderen realisierbar ist, bzw. wenn man in einer Situation nur die Wahl zwischen zwei oder mehreren Übeln hat, wobei auch das Nichthandeln in bestimmten Situationen ethisch unzulässig sein kann. Der K. entsteht dann aus der Unvereinbarkeit verschiedener ethischer Werte, der um so schwieriger zu lösen ist, je geringer die Unterschiede der tangierten Werte sind. Daß in einem solchen Falle die Entscheidung für das geringstmögliche Übel notwendig ist, wird nicht bestritten, die Meinungen gehen aber auseinander, ob man dabei das Gefühl haben darf, in bezug auf das verbleibende geringere Übel gerechtfertigt oder schuldig zu sein; eine Frage, die z. B. die Attentäter vom 20. Juli 1944 sehr bewegt hat. Außerdem darf sich die Wertabwä- gung mit einer nur formalen Beachtung der Werthierarchien nicht begnügen, denn es ist durchaus denkbar, daß man die geringfügige Beeinträchtigung eines an sich höheren Wertes eher verantworten kann, als die schwere Verletzung eines in der Hierarchie nachgeordneten Wertes (vgl. W. A. Jöhr1958, S. 33).

Bei ethisch relevanten oder ethischen K.en sind Werte bzw. Wert- überzeugungen im Spiel, und weil —> Wertgefühl im Gefühlsbereich ent- steht (–> Emotionalität), sind solche K.e auch der Gefahr emotionaler Überbelastung ausgesetzt. Grundsätzlich sind K.e dieser Art in einem emotionsfreien Raum gar nicht möglich, auch wenn sich das Wertgefühl bereits in ein rational verarbeitetes —> Wertbewußtseingewandelt hat.

Der Vorwurf der Emotionalität trifft auch nicht das Recht auf eine eigene und von der Mehrheit abweichende Werthierarchie, sondern nur die Situation, in der ein Diskussionsteilnehmer einen von ihm bevorzugten Wert ohne Rücksicht auf den Sachverhalt (-> Werturteil und Sachverhalt), ohne Abwägung gegenüber anderen Werten und ohne Fairneß gegenüber seinen Diskussionspartnern vertritt und dadurch insbesondere gegen die Regeln der –> Kommunikationsethik verstößt. Willkürliche Übertreibung oder Verharmlosung, Behauptungen, Leug- nung unbequemer Fakten, Unterstellungen oder gar persönliche Be- schimpfung sind Kennzeichen einer zu Fanatismus pervertierenden Emotionalität, die schließlich auch den Weg in Gewaltakte eröffnen kann.

K.partner sollen aber auch nicht überfordert werden. Sie sind Partei und haben das Recht, ihre jeweilige Position entschieden vorzutragen. Und weil das so ist, können sie zwar Stellungnahmen abgeben, aber nicht als neutrale Gutachter auftreten, schon gar nicht in eigener Sache entscheiden. Vgl. hierzu auch das —> Betroffenenargument.

Im Bereich des Tierschutzes spielen bei solchen K.en oft tierschutztheoretische Unterschiede wie —> Lebenserhaltungs- und —>Wohlbefindensprinzip oder methodische Gegensätze bei gemäßigten oder radikalen —> Tierschützern eine Rolle und führen nicht selten zur Spaltung ganzer Gruppen oder Verbände.

K.e zwischen Tierhaltern und Tierschützern entzünden sich meist an strittigen Sachverhalten oder Meinungsverschiedenheiten in bezug auf die Strenge der durchzusetzenden Kontrollen oder Beschränkungen, wie insbesondere bei —> Tierversuchen oder in der —> Nutztierhaltung.

Weitere Literatur: G. Liedke 1979, S. 165-178, H. Nohl 1947, S. 119-133, E. Pitcairn 1962, S. 147-183.

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