Notwehr

Notwehr ist ein juristischer Begriff, den jedermann kennt. N. ist die Verteidigung, die notwendig ist, „um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden” (A. Lorz 1983, S. 64). Nach dieser Definition kann das Recht auf N. nur gegen Menschen beansprucht werden, weil das Tier nicht rechtswidrig handeln kann. Da der Mensch aber auch durch eine Sache in Gefahr gebracht werden kann (und das Tier juristisch immer noch als Sache gilt —> Rechtsposition der Tiere), hat er auch das Recht, eine solche Gefahr abzuwehren, selbst wenn die „Sache” dabei beschädigt wird. Das heißt: Wer durch ein Tier gefährdet wird und entsprechend handelt, befindet sich zwar nicht in N., aber in einem die Abwehrhandlung rechtfertigenden Notstand, wobei allerdings wie im Falle der N. die Verhältnismäßigkeit der Mittel beachtet werden muß. Das Ziel der Abwehr muß mit der jeweils geringstmöglichen Schädigung des betroffenen Tieres erreicht werden; mit anderen Worten: die —> Zweck-Mittel-Relation muß gewahrt bleiben. Hieraus ergibt sich, daß die Abwehrhandlung gegenüber einem Tier nur dann gerechtfertigt ist, wenn das Tier nicht vorher gereizt oder in Bedrängnis gebracht wurde. N. und Notstandsregelungen gelten in gleicher Weise auch in der Schweiz; vgl. A. F. Goetschel (1986, S. 34) und U. Vogel (1980, S. 2-5).

Von einer N. gegen Tiere wird gelegentlich auch in der Tierschutzliteratur gesprochen. So schreibt schon Ignaz Bregenzer (1894, S. 376f.): „Jede Menschengesellschaft beherbergt in ihrem Gebiete menschliche und thierische Erbfeinde, die täglich und stündlich Rechtsgüter aller Art verletzen und bedrohen. Gerade die wichtigsten menschlichen Rechtsgüter und die Grundlagen aller übrigen, unsere Existenzbedingungen werden fortwährend gefährdet durch die unangefochtene Thätigkeit einerseits geborener oder professioneller Verbrecher, anderseits wilder (gefährlicher) Thiere, die vermöge des Wesens ihrer Art nicht anders als aggressiv und zerstörend sich zu bethätigen vermögen. Eine zweite Klasse gemeingefährlicher Lebewesen bilden die Thiere, die man schädliche im engeren Sinne nennt.”

Literatur: Im Text erwähnt.

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