Öffentliche Meinung

Öffentliche Meinung wird im allgemeinen als Mehrheitsmeinung verstanden und durch Meinungsforschung nach soziologischen Methoden erhoben, wobei die Objektivität der Ergebnisse nicht selten angezweifelt wird. Ö. M. wird gelegentlich auch kritisch als „veröffentlichte Meinung” betrachtet oder zu einer „schweigenden Mehrheit” in Beziehung gebracht.

Unstrittig ist jedoch, daß der Tierschutz, etwa seit den ersten Berichten des Fernsehens in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre beginnend, zu einem immer häufiger und heftiger diskutierten Thema wurde und schließlich einen gesellschaftlichen Konflikt auslöste, der noch längere Zeit andauern wird. Politische Anlässe gab es sowohl in der Bundesrepublik als auch in der Schweiz und innerhalb der EG (—> Gesetzlicher Tierschutz), und so gelangte die Tierschutzkontroverse nicht nur auf die Tagesordnungen der tangierten Institutionen und Verbände, sondern auch in die Programme kirchlicher und politischer Akademien, in die politischen Magazine des Fernsehens und schließlich auch in die Spal- ten der großen Tages- und Wochenzeitungen. Auch in der Wissenschaft wurden Tierschutzfragen aktuell, wie man der zunehmenden Literatur entnehmen kann.

Seither ist der —> Tierschutz nicht mehr nur eine Sache der entsprechenden Verbände, sondern auch einer breiten und z. T. heftig engagierten Öffentlichkeit; das haben auch die an der Debatte zur 2. und 3. Lesung der Tierschutznovelle am 17.4.1986 in Bonn beteiligten Mini- ster und Abgeordneten hervorgehoben.

Nach einer von neutraler Seite in Auftrag gegebenen Umfrage des demoskopischen Instituts Allensbach 1983 wurde eine Abscheu-Liste der Bundesbürger erstellt, in der die —> Tierquälerei mit 77% nach der Kindesmißhandlung mit 85 % an zweiter Stelle rangiert; vgl. Gerhard Herdegen (1984).

Interessant ist auch das Ergebnis einer Befragung, die das EMNID-Institut im Auftrag des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie im Februar 1981 durchführte. In der vom Verband herausgegebenen Broschüre „Tiere in der Arzneimittelforschung” (1981, S. 26) heißt es: „80 Prozent der Bevölkerung bejahen Tiere in der Pharmaforschung, 18 Prozent sind dagegen, und zwei Prozent wollen kein Urteil darüber abgeben. Die Zahl der Gegner von —> Tierversuchen halbiert sich sogar nach Kenntnis der Tatsache, daß in der Arzneimittelindustrie zu 90 Prozent Ratten und Mäuse im Rahmen tierexperimenteller Arbeiten eingesetzt werden. Jeder Zehnte ist strikt gegen Tierversuche, auch wenn deren Verbot zur Folge hätte, daß die Hoffnung auf medikamentöse Lösungen des Krebs- oder Herzinfarktproblems begraben werden müßte. Bemerkenswert ist, daß sich die kompromißlosen Gegner von Tierversuchen vor allem unter den 14- bis 24jährigen Bundesbürgern finden, also jener Altersgruppe, die sich in der Regel bester Gesundheit erfreut und auf Arzneimittel weitgehend verzichten kann. Von diesen lehnen fast 20 Prozent Tierversuche strikt ab.

Allerdings halten sogar 33 Prozent der Angehörigen dieser Altersgruppe auch das Töten von Tieren zur Gewinnung von Lebensmitteln und Bekleidung für nicht gerechtfertigt, während diese Nutzung des Tieres im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung von 24 Prozent abgelehnt wird. Gemessen an dem Anteil der strikten Tierversuchsgegner von nur zehn Prozent an der Gesamtbevölkerung zeigt sich, daß die Deutschen dem Einsatz der Tiere im Dienst des medikamentösen Fort- schritts offensichtlich eine stärkere ethische Rechtfertigung zuerkennen als der Befriedigung der Grundbedürfnisse Essen und Kleidung zu Lasten der Tiere.”

Eine Wiederholungsumfrage 1985 erbrachte 81 % Zustimmung zum Tierversuch in der Pharmaforschung und 80 % in der ärztlichen Ausbildung. Überraschend ist, daß trotzdem nur 53 % der Befragten das Menschenleben gegenüber dem Tierleben als vorrangig ansehen (Medikament & Meinung 1985, Nr. 1).

Aus der Schweiz liegt eine Untersuchung vor, die der Schweizer Tierschutz 1983 beim Forschungsinstitut der Schweiz. Gesellschaft für Marketing in Auftrag gab. Demnach möchten 82 % die Kälbermast in engen und dunklen Verhältnissen verbieten, 69 % die Käfighaltung von Hühnern (–> Nutztierhaltung) und 29 % die Tierversuche.

Weitere Literatur: Leo Baumanns 1985, John und Valerie Braithwaite 1982.

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