Rechtsposition der Tiere

Nach der für das Abendland maßgeblichen römischen Rechtstradition ist die Rechtspersönlichkeit an das Personsein gebunden. Nach altem römischen Recht konnte niemand Rechte haben, der nicht Person war, und Person konnte ursprünglich nur sein, wer ein Freier, ein Bürger und ein Familienvater war. Frauen, Söhne, Töchter, Fremde und Sklaven hatten zunächst keine Rechte. Erst in einem langen historischen Prozeß erlangten auch diese Gruppen Personenrechte. Nur die Tiere blieben im Status der Rechtlosigkeit. Das Rechtsempfinden hat sich mit dieser Regelung aber nie ganz abgefunden, und Robert Spaemann hat sicher recht, wenn er (1979) diese Entwicklung für schlecht hält, denn ebenso wie man folgerte, „da Tiere keine Personen sind, sind sie Sachen”, hätte man sagen können: „Tiere sind keine Sachen, also sind sie Personen” und wäre damit dem wirklichen Sachverhalt sicherlich eher gerecht geworden. Denn inzwischen sind die Personenrechte ja noch weiter ausgedehnt worden, und wir kennen die unter Vormundschaft stehende, nicht geschäftsfähige Person, wie z. B. alle Kleinkinder und alle Entmündigten, d. h. Wesen, die zwar Rechte haben, aber zugleich unfähig sind, für diese Rechte zu kämpfen oder sie auch nur wahrzunehmen.

Dieser Gedanke, Tiere rechtlich wie unmündige Kinder einzuordnen, ist dann am Ende des 19. Jahrhunderts insbesondere von einigen französischen Juristen erwogen worden. Pierre Giberne (1931) hat darüber ausführlich berichtet.

Auch wenn man Tieren durch die formalrechtliche Gleichstellung mit Kleinkindern und Entmündigten besser gerecht werden will, so bleibt trotzdem ein grundsätzlicher Unterschied, denn Tiere sind weder Personen noch Sachen, sondern eben Tiere. Das betont auch Otfried Höffe (1982, S. 1006) und nennt dafür einleuchtende Gründe, auch solche, die den entschiedenen Tierschützer überzeugen müssen, denn wenn zwischen Mensch und Tier kein grundsätzlicher Unterschied bestünde, dann gäbe es für den Menschen auch keine besondere Verpflichtung mehr dem Tiere gegenüber, die Position des —> Naturalismus mit dem „Recht des Stärkeren” würde aufgewertet.

Inzwischen hat sich in der Rechtsauffassung auch einiges verändert, zwar nicht im Zivilrecht, wohl aber im Strafrecht. K. J. Ennulat und G. Zoebe schreiben in ihrem Kommentar (1972, S. 13 f.): „Es ist praktisch ohne Bedeutung, welche Stellung man dem Tier auf dem Sektor des Zivilrechts gibt, wenn man es strafrechtlich schützt. Hier hat sich in der Neuzeit die Lehre des Strafrechtlers Maurach durchgesetzt. Er vertritt die Ansicht, daß beim ethischen Tierschutz das an sich bestehenbleibende Rechtsgut der humanitären Pietät eine gewisse Verschiebung erfahren hat. Zwar entspricht der Schutz der Tiere nicht eigenem Recht, da sie eben keine Rechtspersönlichkeit haben, wohl aber der humanitären Pietät und der -> Menschenwürde. Mit anderen Worten: Wer ein Tier mißhandelt, begeht ein Delikt gegen die geschützte, gottgeschaffene Kreatur und verstößt damit zugleich gegen die Menschenwürde”. (Maurach, 1964 und 1965).

Trotzdem ist es richtig und sinnvoll, für eine weitere Veränderung der R.d.T. einzutreten, indem für das Tier ein eigener Status zwischen Person und Sache geschaffen wird, was durchaus im Ermessen des Gesetzgebers läge. Dies würde ermöglichen, für die Tiere staatliche Treuhänder zu bestellen, die dazu verpflichtet wären, die —> Interessen der Tiere in einem noch festzulegenden Rahmen wahrzunehmen – > Anwalt der Tiere.

In diese Richtung geht auch ein Beschluß des Deutschen Tierärztetages 1977, der „den Gesetzgeber auffordert, das lebende Tier nicht weiterhin als ,Sache’ bewerten zu lassen”; vgl. A. Lorz 1979, S. 68.

Für die Frage, ob das Tier in ähnlicher Weise wie der Mensch Rechte hat, oder ob der Tierschutz nur auf entsprechenden Pflichten des Menschen beruht, siehe —> Rechtekonzept und —> Pflichtenkonzept.

Weitere Literatur: I. Bregenzer 1894, S. 129-181, S. Kobler 1975, L. Kotter 1966, E. v. Loeper und W. Reyer 1984, W. Sellert 1983, U. Vogel 1980, S. 163-172, S. Zoebe 1967.

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