Solidarität beschreibt ein Gefühl der Zusammengehörigkeit mit anderen, insbesondere Benachteiligten, Leidenden und Unterdrückten, die sich allein nicht wehren können. S. entsteht aus —> Mitgefühl und —> Empathie und ist doch nicht mit —> Barmherzigkeit oder —>Nächstenliebe identisch, weil sie nicht nur helfend und tröstend eingreift, sondern auch dem noch möglich ist, der nichts hat, mit dem er helfen könnte. S. ist die Nötigung, als Anwalt der Stummen oder zum Schweigen Gebrachten zu sprechen (Sprüche, Sal. 31, 8: „Tue deinen Mund auf für die Stummen und für die Sache aller, die verlassen sind”) und —> Gerechtigkeit zu fordern, wo die Willkür herrscht. S. ist die kämpferische Schwester der —> Humanität, die alles einsetzt und schließlich auch das Schicksal derer teilt, für die sie eintritt; so wie Franziskus nicht nur zum Helfer der Armen, sondern selbst ein Armer wurde.
Im modernen Sprachgebrauch hat der Begriff S. einen vorwiegend politischen Sinn. Das geht auf Jeremy Benthamzurück, der schon 1780 an die —> Befreiung der Tiere gedacht hat. Aber der Gedanke der S. mit den Tieren kam doch erst viel später auf, spätestens jedoch mit dem Zoologen J. H. Moore, der (1907, S. 55-66) an seine Zeitgenossen und insbesondere an die um ihre Rechte kämpfenden Arbeiter appellierte, bei ihrem Bemühen die „vierbeinigen Sklaven” nicht zu vergessen. Der leidende Mensch ist aber offenbar so sehr mit der eigenen Not und Befreiung befaßt, daß er für das hoffnunglos leidende Mitgeschöpf kein Auge, kein Ohr und keine helfende Hand hat, sondern sich gelegentlich auch dadurch seelische Erleichterung verschafft, daß er zum Bedrücker der noch Schwächeren wird und hemmungslos nach unten tritt, wenn er schon nach oben buckeln muß. Wo das unentwegte Erdulden von Qual in Grausamkeit gegen Schwächere umschlägt, dort ist dem Kreislauf der Leiden keine Grenze mehr gesetzt.
So ist die S. mit dem Mitgeschöpf vorwiegend eine Forderung christlicher Barmherzigkeit und —> Mitgeschöpflichkeit, wird aber gelegentlich auch unmittelbar als S. gefordert. So z. B. von Ernst Käsemann (1974, S.3277), Gerhard Liedke, der (1979, S.175-179) ein Kapitel unter den „Leitbegriff: Solidarität im —> Konflikt zwischen Mensch und Schöpfung” stellt und S. 178 schreibt: „Wir müssen die Not dieser Schöpfung artikulieren, weil die Schöpfung nur ‚seufzen’ kann. Wir müssen das Leiden der Kreatur in den Hammerschlägen unserer Ausbeutung mitfühlen, weil die Schöpfung nicht für sich selbst sprechen kann … S. mit der außermenschlichen Schöpfung Gottes heißt: ihr Leiden vermindern, ihre Not lindern, die Gewalt, die ihr angetan wird, reduzieren und ihr damit neue Hoffnung geben im Sinne der Paulusworte aus dem Römerbrief.”
In gleiche Richtung geht auch die Stellungnahme von Eduard Wildbolz (1979, S. 18): „Das Einstehen für die Schwächeren in den Beziehungen der Menschen ist ein wesentliches Moment christlicher Ethik. Dürfte das sich auch zugunsten der Benachteiligten in der —> Mensch-Tier-Beziehung auswirken? Im Lichte der Hoffnung auf einen Frieden und eine Ruhe zwischen Mensch und Tier dürfte sich das aufdrängen. Es läßt sich überlegen, wie ein solches Kriterium der Mitgeschöpflichkeit umgesetzt werden könnte in praktikable Maximen für Tiernutzung und Tierhaltung. Es brauchte ein Konzept, das als S. mit Schwächeren innerhalb der interdependenten Lebenszusammenhänge von Ökosystemen und menschlicher Gesellschaft mit Produktion und Konsum wirkt.”
Auch unter philosophischem Aspekt wird die Forderung nach „S. des Interesses mit der organischen Welt”, so Hans Jonas (1979, S. 245), erhoben, und Ija Pawlowska plädiert (1982) in ihrem Aufsatz „Reichweite menschlicher S.” ausdrücklich für die Einbeziehung der Tiere.
Literatur: Im Text erwähnt.