Artegoismus

Artegoismus ist eine aktive und sowohl defensive wie auch aggressive Komponente des Arterhaltungstriebes bei Menschen und Tieren. Beim Tier ist der A. jedoch auf die beschränkten und im wesentlichen bekannten Möglichkeiten reduziert und darüber hinaus kaum entwick- lungsfähig. Beim Menschen ist der A. jedoch fast unbegrenzt, weil dem Menschen immer neue Felder der Anwendung und Methoden der Durchführung einfallen, wobei die neu zu erwartende Fähigkeit, Tiere durch genetische Manipulation in jede gewünschte Richtung zu züchten und dabei auch die artegoistischen Durchsetzungsmöglichkeiten einzuschränken oder ganz auszuschalten (—> Züchtung) bisher noch be- stehende Grenzen überschreitet und die –>geschöpfliche Würde der Tiere vollends aufhebt, weil diese darauf beruht, Geschöpf Gottes oder Er- gebnis einer jahrmillionenalten Evolution zu sein. Als Produkt eines der Hybris verfallenen Menschen existieren zu müssen, hat nichts mehr von dieser Würde.

A. ist der geistige Hintergrund, auf dem der —> anthropozentrische Humanismus und –> Naturalismus entstehen konnten. Wie bedeutungsvoll die Überwindung des A. ist, hat Claude Lgvi-Strauss bereits 1971 bei einem Symposion der UNESCO (zitiert nach Alfred Kastler 1979) ausge- führt: „Seit ungefähr fünfzehn Jahren wird den Ethnologen in zu- nehmendem Maße bewußt, daß das Problem des Kampfes gegen Rassenvorurteile auf menschlicher Ebene ein viel umfassenderes Problem widerspiegelt, das noch dringender einer Lösung bedarf. Ich spreche von dem Verhältnis zwischen dem Menschen und anderen lebenden Arten. Es ist zwecklos, das eine Problem ohne das andere lösen zu wollen. Denn die Achtung gegenüber den eigenen Artgenossen, die wir vom Menschen erwarten, ist lediglich ein Einzelaspekt der allgemeinen Achtung vor allen Formen des Lebens. Indem der westliche Humanis- mus den Menschen von der übrigen Schöpfung isoliert und die Grenzen, die ihn von anderen Lebewesen trennen, zu eng zieht, hat er ihn eines Schutzschildes beraubt.”

Eine Sonderform des menschlichen A. ist das, was man in den USA „Speziesismus” nennt, das Gefühl einer mit dem Menschsein verbundenen Überlegenheit, die dem Menschen innerhalb der ihn umgeben- den Natur ein unangefochtenes Willkürrecht verleiht. Wie man dem Aufsatz von Peter Singer „The Oxford Vegetarians — A Personal Account” (Int. Journal for the Study of Animal Problems 1982, 1. S. 6-9) entnehmen kann, ist dieser Begriff anfangs der siebziger Jahre von Richard Ryder geprägt worden.

Weitere Literatur: P. Singer 1982, S. 200-274.

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