Immer wieder wird vor Tauben als Krankheitsüberträger gewarnt. Aber stellen Krankheiten von Tauben wirklich eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen dar? Eine Studie kommt zu gegenteiligen Ergebnissen!
Über eine Reihe von Krankheitserregern und Parasiten bei Tauben heißt es, sie würden eine Gefahr für Menschen darstellen, da sie von Tauben auf den Menschen übertragen werden könnten. So wird es zum Beispiel auf den Internetseiten von Firmen behauptet, die ihre Dienste in der Taubenabwehr/ -entsorgung und professionellen Taubenkotreinigung anbieten. Eine Studie hat nun Krankheiten und Parasiten hinsichtlich der tatsächlichen Gefahr einer Übertragung von Tauben auf den Menschen hinterfragt. Das Ergebnis der Studie kommt nicht so überraschend für alle, die sich mit klarem Kopf mit ihren Mitgeschöpfen beschäftigen: Wir müssen keine Angst vor Tauben haben! Sie tun uns nichts!
Der Tierarzt Jens Hübel aus Leipzig zieht aus dem Ergebnis der Untersuchung das Fazit: „Die Darstellung auf der Homepage von Schädlingsbekämpfern und Vergrämungsfirmen sind als völlig überzogen zu betrachten. Hier wird Panik geschürt und den Leserinnen und Lesern durch Fehlinformationen suggeriert, dass Tauben eine Vielzahl an lebensbedrohlichen Erkrankungen übertragen würden.“
Wie sieht es nun aus mit den auf Websites von Schädlingsbekämpfern und Vergrämungsfirmen aufgeführten Krankheitserregern aus? Besteht bei Kontakt mit Tauben eine Gefahr für unsere Gesundheit?
Für jede einzelne der Behauptungen wurden in einer Studie zur Gefährdungseinstufung von Stadttauben neue Erkenntnisse ausgewertet und der Wahrheitsgehalt aller dieser Behauptung überprüft. („Gefährdungseinstufung der Stadttauben? Überprüfung aktueller Aussagen aus dem Internet auf ihren Wahrheitsgehalt“. Mirja Kneidl-Fenske, Tierärztin und Michaela Dämmrich, Landesbeauftragte für den Tierschutz in Niedersachsen. Stand 29. Juli 2017.)
Alle Behauptungen konnten als schlichtweg falsch oder übertrieben entlarvt werden.
Das Infektionsschutzgsetz von 2000 formuliert in § 2, Absatz 12, dass ein Tier, durch das Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können, ein Gesundheitsschädling ist.
Da Stadttauben auf Menschen keine nennenswerten Krankheiten übertragen, dürfen sie nicht als Schädlinge bezeichnet werden.
Neben Krankheiten werden Tauben häufig für die Übertragung von Parasiten verantwortlich gemacht. Richtig ist: Tauben können, besonders wenn sie geschwächt sind, zahlreiche Parasiten und Krankheitserreger aufweisen. Diese sind aber zum größten Teil tauben- oder vogelspezifisch und für den Menschen völlig harmlos.
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Den Ekel und die Angst vor Tauben sollte es nicht geben müssen. Denn seit über zwanzig Jahren ist amtlich nachgewiesen und im Merkblatt des Bundesgesundheitsamtes vom April 1994 nachzulesen: „Das Risiko einer menschlichen Infektion durch Kontakt mit freilebenden Tauben ist im Allgemeinen nicht höher einzustufen als das Risiko einer Infektion durch den Kontakt mit Zuchttauben, Heim- oder Ziervögeln“. Vier Jahre später kommt das Bundesinstituts für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin in seiner Stellungnahme zur Schädlingseigenschaft von verwilderten Haustauben zu dem Ergebnis: „Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die 1966 erfolgte Einschätzung der verwilderten Haustaube als obligatorischer Gesundheitsschädling seitens des Bundesgesundheitsrates aus unserer Sicht heute nicht mehr stichhaltig ist (und in dieser verallgemeinerten Form in späteren Voten auch nicht mehr aufrechterhalten wurde)“ (Stellungnahme des BgVV vom 26.02.1998).
Warum aber reicht die Entwarnung der Behörde nicht aus, um den Städtern den Abscheu vor den Stadttauben zu nehmen? Abscheu, Ekel und sogar Hass auf Tauben sind der Boden dafür, dass tierschutzwidrige Maßnahmen zur Populationskontrolle wie das Taubenfütterverbot und grausame Vergrämungsmittel gebilligt und sogar gefordert werden.
Leider sind die Stimmen derer, die eine Gefahr in den Stadttauben sehen wollen, greller und viel präsenter, als die Mitteilungen der Behörden. Sätze wie: „Stadttauben stellen ein beträchtliches Gesundheitsrisiko für den Menschen dar und können über 100 humanpathogene Infektionskrankheiten übertragen“ finden wir so oder ähnlich formuliert in der Presse und im Internet. Die angebliche Basis für diese furchterregenden Statements liefern Artikel, die eine hohe Zahl verschiedener Erkrankungen inklusive Parasiten nennen, mit denen uns Stadttauben anstecken könnten. So warnt 2012 Daniel Haag-Wackernagel, Professor an der Universität Basel: „Bis heute wurden in Straßentaubenpopulationen 111 Krankheitserreger gefunden, die auch beim Menschen eine Erkrankung auslösen können“ (in: Unerwünschte Gäste. Die Straßentaube – ein Blick hinter die Kulissen. Anatomisches Museum Basel. S.18).
Es sind diese Aussagen, die weiterverbreitet werden – und dann wohl auch wider besseren Wissens, denn der Autor selbst relativiert seine Warnung vor den 111 Krankheitserregern bereits im nächsten Satz: „Davon wurden aber nur acht tatsächlich übertragen“. Derselbe Autor kommt zu dem Schluss: „In der Bevölkerung herrscht eine oft irreale Angst vor Krankheitsübertragungen durch Tauben, die von gewissen Interessensgruppen zusätzlich geschürt wird“ (Haag-Wackernagel 2006: Gesundheitsgefährdung durch die Straßentaube Columbia livia. Amtstierärztlicher Dienst und Lebensmittelkontrolle. 13 Jhrg.-4. S. 262).
Selbstverständlich ist jeder Krankheitsfall ernst zu nehmen und jeder mögliche Verbreitungsweg einer Zoonose (von Tier zu Mensch und von Mensch zu Tier übertragbare Infektionskrankheiten) muss überprüft werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir uns bei den Stadttauben mit einer Krankheit anstecken, ist aber äußerst gering.
Also: Bitte keine Panik, wenn der Weg das nächste Mal durch den hungrigen Taubenschwarm führt!
Alle Tiere brauchen unsere Rücksichtnahme und Fürsorge. Das bedeutet auch ihre Duldung in unserer Nähe und da kann der physische Kontakt mit ihnen oft nicht ausbleiben. Für den nahen Umgang mit Tieren und ihren Hinterlassenschaften – Niststätten und Kot – ist selbstverständlich immer das richtige Maß an Vorsicht und Hygiene geboten. Das gilt für den Umgang mit den auf der Straße lebenden Haustieren wie Stadttauben und Katzen genauso wie für den Umgang mit unseren Heimtieren und natürlich auch mit Wildtieren.
Es ist deutlich, dass mehr und bessere Aufklärung benötigt wird, um das Image der Stadttaube zu verbessern und den Menschen einen unbesorgten Umgang mit ihnen zu ermöglichen. Die neue Studie zum Wahrheitsgehalt der Behauptungen auf den Seiten der Schädlingsbekämpfer und Vergrämungsfirmen ist ein guter Schritt in diese Richtung und sollte geteilt und vielen Menschen zugänglich gemacht werden.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist die tierschutzgerechte Kontrolle der Stadttaubenpopulationen. Hier bieten betreute Taubenhäuser die beste Lösung für Tauben und Mensch. In den Taubenschlägen können die Tiere versorgt und medizinisch betreut werden, durch die Kontrolle der Brut schrumpft die lokale Population und die hungrigen Schwärme verschwinden nach und nach aus dem Stadtbild.
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