Das Tierheim Lankwitz

Aus den Trümmern zum modernen Tierheim

„Ich habe gelernt, ohne den Dank der Welt zu leben. Ich habe ihn erworben und verloren, ich habe ihn wiedergewonnen, ich habe ihn wieder verloren – ich mache mir gar nichts daraus. Ich tue einfach meine Pflicht.“
(Otto von Bismarck)

Dieses Zitat Otto von Bismarcks erklärte Erna Graff zu ihrem Lebensmotto, welchem sie stets, auch in dunkelsten Zeiten, treu blieb. Ihre Hartnäckigkeit, ihr Durchhaltevermögen und das Ziel, den Tieren auf der Welt zu einem besseren Dasein zu verhelfen, machten es möglich, das völlig zerstörte Tierheim nach dem Krieg wieder aufzubauen. Jahrzehntelang war hier ihr Lebensmittelpunkt.

INTERVIEWS mit Erna Graff: „20 Jahre Wiederaufbau des Tierheims Lankwitz“ (mp3)

Wie war das, als Sie nach dem Krieg vom Tierheim Lankwitz nichts vorfanden außer Trümmer?,
wird Frau Graff vom Moderator gefragt. Frau Graff erzählt ihm hier, wie es gelang, den Tieren dennoch zu helfen und ihnen ein Zuhause zu geben. (Die hier gezeigten Fotos stammen aus den 1960er Jahren)

Das Lankwitzer Tierheim hat viele einzigartige Geschichten zu erzählen. Eine davon ist diese hier:

Roland, das Rennpferd

Durch öffentlichkeitswirksame „Rettungsaktionen“ verstand es Erna Graff, die Berliner für den Tierschutz zu gewinnen. Das prominenteste Beispiel hierfür ist die Geschichte von Roland, dem Rennpferd.

Roland hatte sein Leben als überaus erfolgreiches Rennpferd auf den Laufstrecken Berlin-Mariendorfs verbracht, war aber 1955 aufgrund seines fortgeschrittenen Alters gezwungen, seine Karriere aufzugeben. Der damals 19-jährige Wallach durfte nicht mehr antreten und wurde an eine Gallopp-Diele namens Hippodrom verkauft, wo er von nun an für die Vergnügungslust der Nachtschwärmer herhalten musste. Fünfzig Pfennig kostete ein Ritt. Nacht für Nacht trug er die feierlaunigen, teils betrunkenen Gäste durch die Manege und ließ jeden Spaß über sich ergehen. Sogar Striptease-Tänzerinnen auf seinem Rücken waren keine Seltenheit.

Früher hieß Roland „Frage nicht“ und gehörte zu den siegreichsten Rennpferden Berlins. Siebzehn Siege bescherte er seinen Besitzern im Laufe seines Werdegangs, 80 Mal war er unter den ersten drei. Insgesamt spielte er den Menschen durch seine Erfolge 20 727 DM ein.

Doch auch sein zweiter Broterwerb als Manegenpferd sollte ein jähes Ende finden. Der Besitzer der Galopp-Diele konnte diese finanziell nicht mehr halten und sah sich genötigt, seine drei Pferde zu verkaufen. Für Rolands jüngere Gefährtinnen, die Stuten Rosi und Lotte, fanden sich auf Anhieb Käufer, doch er selbst war aufgrund seines Alters nicht mehr vermittelbar. Niemand wollte ihn haben. Ihm drohte der Gang zum Schlachter.

Aber das Leben meinte es gut mit Roland und schickte ihm Erna Graff. Die hatte von seinem bedauerlichen Schicksal gehört und sich daraufhin bereit erklärt, ihn zu kaufen und ihn im Tierheim Lankwitz mit eigener Koppel unterzubringen, obwohl die finanziellen Mittel dies eigentlich nicht zuließen. Wenigstens einen ruhigen und gemütlichen Lebensabend sollte er haben, wenn er schon sein ganzes Leben lang hatte schuften müssen. So entging er dem Schlachter und genoss ein entspanntes Dasein im Lankwitzer Tierheim. Durch Erna Graffs Rettungsaktion waren zahlreiche Berliner auf Roland aufmerksam geworden und zutiefst gerührt. Viele unterstützten sein Auskommen durch kleine Spenden und einige kamen ihn sogar besuchen!


Quellen:

Frey, Frank: Ehemaliges Rennpferd als „Attraktion“ im Hippodrom: Traben bis zum Gnadenschuss. In: B.Z. (29.04.1964)

R., L.: Berlins letztes Hippodrom muss geschlossen werden: „Was wird nun aus Roland“?. In: B.Z. (21.05.1963)

„Roland“ bekommt das Gnadenbrot. In: B.Z. (27.05.1964)

„Roland“ ist gerettet. In: B.Z. (08.06.1964)

Originalunterlagen aus dem Nachlass von Erna Graff

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