12. Februar 2018
Berlin, 12. Februar 2018 – Am 7. Februar 2018 erklärten CDU, CSU und SPD mit dem Koalitionsvertrag dem bürgerschaftlichen Engagement von Tierschützern den Krieg. Dabei scheinen Privatinteressen einzelner CDU-Abgeordneter Eingang in das Papier gefunden zu haben. Tierschützer zeigten in der letzten Legislaturperiode schreckliche Bilder aus der Massentierhaltung. Darunter waren 2016 auch die Tierhaltungen der CDU-Abgeordneten Johannes Röring und Josef Rief. Diese revanchieren sich jetzt mit diesem Satz im Koalitionsvertrag: „Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden.“
Damit will besonders die CDU von der Agrarkriminalität in den eigenen Reihen ablenken. Am lautesten schreit Bundestagsabgeordnete Gitta Connemann nach Vergeltung gegen Tierschützer. Wenn es nach ihr ginge, müssten alle mundtot gemacht werden, die Kritik an der Tierhaltung von CDU- und Bauernverbandsfunktionären üben. Tierschutzgesetz, Lebensmittelrecht, Verbraucherschutz – Fremdwörter in den Ställen von NRW-Landwirtschaftsministerin Schulze-Föcking, Bauernverbandsfunktionär Röring oder im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft stellvetretendem Mitglied Rief. Von wem der entlarvende Satz im Koalitionsvertrag stammt, bringt vielleicht eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz ans Licht. Fest steht, CDU, CSU und SPD sind Repressalien gegen aufklärenden Tierschutz wichtiger, als echte Hilfen für Landwirte und ihre Tiere.
Was bewegt Tierschützer, in einen Stall zu gehen? Häufig geht dieser Entscheidung eine längere Geschichte voraus. Hinweise auf tierschutzwidrige Bedingungen im Stall häufen sich. Gespräche mit den Landwirten fruchten nicht. Anzeigen beim zuständigen Veterinäramt führen zu keiner Veränderung. Monate bis Jahre versuchen empathische Menschen alle legalen Möglichkeiten auszuschöpfen, um den Tieren zu helfen. Der Weg in den Stall, mit dem Ziel Beweise zu sammeln und öffentlich zu machen, wird als letzter Ausweg gesehen.
„Die logische Konsequenz für die Politik wäre die Verbesserung der Tierhaltung und des Tierschutzvollzugs.“, schlussfolgert Eisenhart von Loeper, 1. Vorsitzender der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz: „Davon ist im Koalitionsvertrag nichts Substanzielles zu finden. Stattdessen will die GroKo Tierschützer kriminalisieren, die auf einen Notstand mit Zivilcourage reagieren.“
Einen Straftatbestand “Einbruch” kennt das deutsche Strafrecht nicht. Hinzukommt, dass ein Notstand oder gar die Nothilfe nach § 32 Strafgesetzbuch, wie sie zuletzt das Magdeburger Landgericht* anerkannte, das Betreten eines Stalls rechtfertigen. In diesen Fällen wird auch weiterhin kein Straftatbestand vorliegen. Während der Magdeburger Richter die Tierschützer ausdrücklich für ihr Handeln lobt, will die künftige Bundesregierung den Überbringern der schlechten Nachricht einen Maulkorb verpassen. Statt Ursachen zu bekämpfen, verkörpern CDU, CSU und SPD das Motiv der drei Affen „Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“.
Der Koalitionsvertrag suggeriert Aufbruch, Dynamik und Zusammenhalt. „Das einzige Dynamische am Koalitionsvertrag im Bereich Tierschutz ist der Rückschritt.“, zeigt sich von Loeper enttäuscht. “Ein solches Gesetz wäre verfassungswidrig, also nichtig, weil es unvereinbar wäre mit der Gewissensentscheidung des Menschen in Nothilfe für Tiere.” Der Koalitionsvertrag setzt die Ankündigungspolitik der noch im Amt befindlichen Großen Koalition fort. In den letzten vier Jahren sind mehrere Millionen Euro in Forschungsprojekte, Gutachten und Kommissionen geflossen, auf deren Grundlage Entscheidungen im Tierschutz gefällt werden sollten. Obwohl diese Ergebnisse wie im Fall des Gutachtens „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ seit 2015 vorliegen, wurden die Empfehlungen bisher nicht umgesetzt. Der Ausstieg aus dem Kükenschreddern männlicher Eintagsküken und das Ende der tierschutzwidrig ohne Betäubung durchgeführten Schnabelamputation von Puten wird Jahr um Jahr verschoben. Die Wildtierhaltung im Zirkus zu beenden, verweigert sich die Große Koalition, obwohl es die Mehrheit der Gesellschaft will und die meisten europäischen Staaten verwirklicht haben. Selbst zur Weidetierhaltung, die nicht nur erhalten sondern ausgebaut und gefördert werden muss, fällt der GroKo außer dem tier- und artenschutzwidrigen Abschuss des Wolfs als Sündenbock nichts weiter ein.
Eine Spitzenposition im Tierschutz soll Deutschland laut Koalitionsvertrag einnehmen. Fragt sich nur, von welchem Ende aus gesehen.
* Am 22. Februar 2018 wird der Fall vor dem Oberlandesgericht Naumburg erneut verhandelt. Die Erna-Graff-Stiftung unterstützt die Tierschützer.