18. Februar 2020
Hattersheim im Main-Taunus-Kreis- hier musste ein Tierschützer im Juni letzten Jahres eine traumatisierende Erfahrung machen. Der junge Mann rettete einen im Zaun gefangenen Fuchs rettete und brachte ihn zu sich nach Hause, um ihn zu versorgen. Dort wurde der Fuchs von den zu Hilfe gerufenen Polizeibeamten brutal getötet. Die Erna-Graff-Stiftung hatte bereits über diesen Fall berichtet.
Unmittelbar nach Kenntniserlangung begann die Erna-Graff-Stiftung damit, den Fall rechtlich zu prüfen. Um ein vollständiges Bild der Situation zu erhalten, beantragten wir Akteneinsicht bei der zuständigen Polizeibehörde. Diese wurde jedoch unter Verweis auf ein laufendes Ermittlungsverfahren abgelehnt. Um den Vorfall juristisch einordnen zu können, haben wir die uns zugänglichen Informationen durch eine sachverständige Veterinärmedizinerin prüfen lassen. Durch die große Hilfe von der in Hattersheim ansässigen Tiermedizinerin Frau Dr. Kirsten Tönnies war es uns möglich, klar den Verdacht auf eine strafbare Handlung der beteiligten Polizisten herauszuarbeiten.
Bereits vorab hatte die Polizei Westhessen zu dem Vorfall Stellung genommen: „Das Handeln der Kollegen war notwendig. Das Tier hätte unnötig gelitten, wenn man noch länger gewartet hätte.“ (…) „der Fuchs wurde nicht erschossen, sondern mit einem Genickschlag von seinem Leiden erlöst. (…) Der Fuchs war bereits im Zustand der Agonie. Der Kollege hat auch erkannt, dass der Fuchs bereits krank war und zusätzlich zu seiner Verletzung offenkundig an einer Infektion litt.“
Vor diesem Hintergrund baten wir Frau Dr. Tönnies, insbesondere zu zwei juristisch entscheidenden Punkten Stellung zu nehmen, die von der Polizei angesprochen wurden:
1. Rechtfertigte der Zustand des Fuchses eine Tötung
des Tieres?
2. Erfolgte die Tötung tierschutzgerecht?
Durch die Analyse mehrerer Videos und anhand näherer Informationen der betroffenen Tierschützer konnte Frau Dr. Tönnies ein tiermedizinisches Gutachten erstellen, das zu einem klaren Ergebnis kommt: Der Fuchs war lebensfähig und augenscheinlich vergleichsweise fit. Zeichen einer Erkrankung waren nicht vorhanden, auch war sein Zustand nicht kritisch. Zu einem eindeutigen Befund kam die Sachverständige auch in einem weiteren Punkt: Die gewaltsame Tötung des Fuchses durch einen stumpfen Gegenstand hätte sehr wahrscheinlich zu zusätzlichen Schmerzen und Leiden geführt. Aufgrund der entstandenen Blutspritzer erscheint es jedoch möglich, dass der Fuchs erschossen wurde.
Diese Erkenntnisse haben wir unserer Strafanzeige zugrunde gelegt.
Die Aussagen der Polizei haben wir mit der Sachverständigen Frau Dr. Tönnies im Einzelnen besprochen. Hier Ihre diesbezüglichen Stellungnahmen:
Anfangs eine allgemeine Frage: Wir haben mitbekommen, dass der Fuchs noch relativ jung war, wie schätzen Sie sein Alter ein?
Tönnies: „Der Fuchs dürfte jünger als ein Jahr alt sein, abzuschätzen an dem dichten Fell, der Größe und den Gesichtsproportionen. Das Vorgesicht ist noch kurz und stumpf abgerundet. Ein ausgewachsenes Tier hat ein spitzeres Vorgesicht und einen insgesamt schärferen Ausdruck.“
Zu seinem Gesundheitszustand, kann man das Wohlbefinden des Fuchses von seinen Bewegungsmustern ableiten?
Tönnies: „Auf dem Video ist zu erkennen, dass der Fuchs während der Annäherung der filmenden Person zwischen teils heftigen Fluchtversuchen und Angsterstarren mit Beobachtung wechselt.Das ist ein Hinweis für ein bis zu diesem Zeitpunkt ansonsten gutes Allgemeinbefinden. Es ist zu erkennen, dass die Bewegungen absolut klar fixierend auf die Gefahr hin gerichtet und folgerichtig im Ablauf sind. Die Szenen in denen das Tier versucht sich zu befreien, zeigen Abwehrversuche, wie sie für ein gesundes Wildtier typisch sind.“
In der Pressemitteilung der Polizei wird von einer Infektion (Tollwut oder Staupe) gesprochen, gibt es überhaupt Anzeichen dafür?
Tönnies: „Fast alle Infektionskrankheiten gehen mit Sekretabsonderungen und, in Folge dessen, verklebten Augen einher. Besonders intensiv ist das im Zuge einer Staupeerkrankung zu beobachten, die zusätzlich begleitet ist von sichtbarer Schwäche und verklebten Nasenöffnungen. Davon ist bei dem Fuchs in dem Film nichts zu erkennen. Der Nasenschwamm ist nass schwarz glänzend und ebenfalls ohne Auflagerungen, frei von Sekretspuren oder Verletzungen. Auch in dem Gesicht des Fuchses gibt es keine Hinweise auf Anzeichen einer Infektion oder Verletzung.“
Weiter heißt es, dass der Fuchs sich im Zustand der Agonie befand, ist das richtig?
Tönnies: „Agonie hätte Krämpfe, Ausbleiben von Atmung oder Puls/Herzschlag oder Schnappatmung bedeutet. Im Gegenteil zu dieser Annahme ist die Atmung kurz zuvor ruhig, das Mäulchen bleibt geschlossen. Es ist die typische Atmung und das wache Verhalten eines kleinen Beutegreifers nach Stunden der Fixierung.“
Gibt es sonst noch Punkte an denen sich feststellen lässt, inwieweit der Fuchs krank und verletzt war?
Tönnies: „Ja, die Atemfrequenz und die Atemintensität sind der Anstrengung entsprechend angemessen und bieten gleichfalls keine Hinweise auf eine Erkrankung. Im Falle einer Infektion wäre auf Grund des geschwächten Zustands des Fuchses die Atmung verstärkt, was an einem pumpenden Brustkorbbewegungen deutlich sichtbar, und u. U. einer heraushängenden Zunge erkennbar gewesen wäre. Auch ist das Fell buschig und gleichmäßig, dabei dicht geschlossen, an keiner Stelle verklebt oder durch Haarverlust gezeichnet. Es steht nicht zu vermuten, dass, außer an dem linken Hinterbein, irgendeine krankhafte Fellveränderung festzustellen gewesen wäre.“
Was lässt sich abschließend zum Zustand des Fuchses sagen?
Tönnies: „Obwohl sich eine Einschätzung des Gesundheitszustandes und einer Tötungsberechtigung des Fuchses auf Beschreibungen und Filmmaterial beschränken muss, ist sicher davon auszugehen, dass der Fuchs nur unter Weichteilverletzungen am linken Hinterlauf litt, die nicht Lebens behindernd gewesen wären. Vermutlich hätte schon das unmittelbare Freilassen nach der Befreiung aus dem Zaun dem Tier genügt, um sich von dem Unglück vollständig zu erholen. Dass die Finder dem Tier besondere Unterstützung zukommen lassen wollten und, entgegen ihrer Absicht, stattdessen das Tier getötet wurde, ist eine seelische Belastung, die zu erheblichen Schuldgefühlen führen kann.“
Und nun zur Tötung des Tieres, erfolgte die Tötung tierschutzgerecht und gab es wirklich keinen Schuss?
Tönnies: „Den Aussagen der Zeugen nach hat es vom Balkon in die Wohnung schallend einen lauten Knall, wie bei einem Schuss, gegeben. Das Blut des Tieres war großflächig auf dem Balkon verspritzt. Wenn das Tier mit einem Genickschlag getötet worden wäre, hätte es keine Blutverspritzung gegeben. Aber auch ein zielgerichteter, erfolgreicher Schlag alleine tötet nicht sicher. Der Einsatz eines Messers, was bei einer Tötungstechnik durch Schlag immer erfolgen muss, um tierschutzgerecht durchgeführt zu werden, wurde bislang nicht erwähnt. Das hätte auch weniger Spritzer, sondern mehr flächendeckende Blutungen zur Folge gehabt. Ein Genickbruch ist bei einem so großen und wehrhaften Tier nicht einfach zu erzielen. Ein Schlag, der zu einem Genickbruch geführt hätte, erklärt den Austritt des Blutes nicht.“
Aufgrund der durch Frau Dr. Tönnies gewonnen Erkenntnisse ist zu schließen, dass die Tötung des Fuchses weder nötig noch in irgendeiner Weise durch Tierwohlerwägung gerechtfertigt war. Hinzu kommt, dass die Tötung selbst nicht tierschutzgerecht war und vermutlich zu erheblichen Leiden geführt hat.
Wir hoffen somit, dass die Strafanzeige zum Prozess führt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Dabei ist schon die gerichtliche Aufarbeitung solcher Vorfälle ein entscheidender Schritt: Weg von der bisherigen Zurückhaltung der Strafbehörden und -gerichte hin zu einer aktiven und wirksamen Durchsetzung des Tierschutzrechts. Dies geschieht im Moment noch nicht, Staatsanwaltschaften und Gerichte stellen Strafverfahren im Tierschutzrecht ganz überwiegend ein. Dabei ist es die Vorgabe unserer Verfassung, den Tierschutz als Staatsziel zu verwirklichen. Dies bedeutet, dass alle staatlichen Institutionen bei ihren Handlungen berücksichtigen müssen, ob hierdurch das Staatsziel bestmöglich gefördert und umgesetzt wird. Dieser Verantwortung für Tiere, die keine eigene Möglichkeit zur Rechtswahrnehmung haben, müssen die damit betrauten staatlichen Stellen engagiert wahrnehmen.
Nur mit Hilfe Ihrer Spenden ist die Erna-Graff-Stiftung im Stande wichtige Prozesse wie diesen für unsere tierischen Mitgeschöpfe zu finanzieren. Jeder Betrag hilft uns dabei und leistet einen wichtigen Beitrag. Hier können Sie uns bei der Rechtsdurchsetzung zugunsten der Tiere unterstützen.