Hausfriedensbruch zum Zwecke filmischer Dokumentation tierschutzwidrigerZustände ist prinzipiell rechtfertigungsfähig

23. Mai 2017

Heilbronn, 23. Mai 2017. Im Heilbronner Putenmastprozess, in dem es vor allem um das Eindringen in fremde Putenställe zur filmischen Dokumentation tierschutzwidriger Zustände ging, hat das Landgericht Heilbronn heute die Berufung des von der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz unterstützten  Angeklagten gegen das Urteil der Vorinstanz zurückgewiesen und einen weiteren Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung und zum Schadensersatz verurteilt. Gegen die dritte Angeklagte, die ebenso wie einer der beiden männlichen Angeklagten von unserer Stiftung bei diesem Prozess unterstützt wurde, wurde das Verfahren bereits gestern gegen eine geringe Geldauflage eingestellt.

Der 1. Vorsitzende der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz Rechtsanwalt Dr. Eisenhart von Loeper hat heute dazu ausgeführt:

„Das Urteil ist im Hinblick auf die Verurteilung zu einer Strafe wegen Hausfriedensbruchs nach unserer Auffassung unrichtig. Das Gesetz lässt Nothilfe für Tiere zu – sei es gerechtfertigten  Notstand nach § 34 StGB bzw. eine Notwehr nach § 32 StGB – und es verbietet sogar die unterlassene Hilfeleistung (§ 323 c StGB). Das hätte zur Anwendung kommen und zu einem Freispruch führen müssen. Hervorzuheben ist aber, dass das Gericht das Eindringen in fremde Stallungen unter klar definierten Bedingungen für rechtfertigungsfähig hält.“

 

Von Loeper steht auf dem Standpunkt, dass die von den Tierschutzaktivisten wahrgenommenen konkreten tierschutzwidrigen Umstände in einer Ilshofener Putenmast nur unzureichend berücksichtigt worden seien. So hätten die geladenen Gutachter, die die tatsächlichen Zustände im betreffenden Stall sachverständig hätten beurteilen können, gehört werden müssen. Das gelte, obwohl das Gericht sich auf den Standpunkt gestellt habe, dass allein die Vorstellungen der Angeklagten, von dem, was sie in den Ställen vorfinden würden, maßgeblich sei. Vorbehaltlich der noch nicht vorliegenden schriftlichen Urteilsgründe würde dies allerdings bedeuten, dass erstmals ein deutsches Gericht grundsätzlich ein Eindringen in fremde Ställe zur Dokumentation tierschutzwidriger Zustände für prinzipiell rechtfertigungsfähig hält. Entscheidend sei, dass die Eindringenden davon überzeugt seien, dass sie beim Betreten der fremden Ställe tierschutzwidrige Zustände vorfinden würden.  Das entspricht auch der Überzeugung der Stiftung, der dazu ein Rechtgutachten eines bekannten deutschen Hochschullehrers für Strafrecht vorliegt.

Im konkreten Fall  blieb es dabei, dass die Aussage des Ilshofener Landwirtes gegen die Aussagen der drei Angeklagten stand und steht.

Die Angeklagten machten im Verlauf der Verhandlung mehrfach deutlich, dass es aus ihrer Sicht keine andere Möglichkeit gebe, auf tierquälerische Zustände in der Massentierhaltung aufmerksam zu machen, außer derartige Verstöße zu filmen und damit öffentlichen Druck aufzubauen. Diese Auffassung teilt die Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz. Deshalb Eisenhart von Loeper weiter:

„Das Verfahren soll nun, soweit es um den von der Erna-Graff-Stiftung unterstützten Angeklagten geht, dem nur ein Hausfriedensbruch vorgeworfen wird,  weitergehen. Er kann, wenn er das will, mit unserer weiteren Unterstützung in die Revision und nötigenfalls bis zum Bundesverfassungsgericht rechnen”, kündigt Dr. Eisenhart von Loeper an. „Wir brauchen eine höchstrichterliche Klärung im Sinne des Tierschutzes. Der  Tierschutz um der Tiere willen und die Gewissensfreiheit der Betroffenen haben durch Art. 20a GG höchsten Verfassungsrang. Das muss endlich zur Geltung kommen“. Ergänzend fügt von Loeper hinzu: „Dieser Prozess hat Präzedenzcharakter: Wir sind es den Tieren schuldig, ihnen gegen jede Qual die zumutbare Nothilfe zu leisten. Anzuklagen wären genau genommen durch die Staatsanwaltschaft statt der Aktivisten gegen qualvolle Putenmast die Verantwortlichen der „Vollzugsbehörden“, die durch ihr stetiges staatliches Versagen  gesetzwidrige  Tierqual  zulassen. “

Hier können Sie die Pressemitteilung als PDF herunterladen: 2017-05-23_Urteil

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