12. Oktober 2019
Erna-Graff-Stiftung fordert Einleitung von Strafverfahren und Freigabe behördlicher Unterlagen
Wieder ein Fall, der die massiven Defizite der staatlichen Kontrollen im Bereich Tierschutz aufdeckt. Eine Undercover-Recherche der Tierschutzorganisationen Soko Tierschutz e.V. und Cruelty Free International in dem deutschen Tierversuchslabor der Firma LPT in Mienenbüttel, Niedersachsen, fördert erschreckende Bilder zu Tage. Verängstigte Versuchstiere, darunter Affen, Hunde und Katzen. Tägliche, auch vorsätzliche Gewaltanwendung an Tieren und Mitarbeiter, die Tiere auf elende Weise verbluten lassen. Trotz dieser offensichtlichen Missstände griff die zuständige Behörde jahrelang nicht ein. Mit einem UIG-Antrag fordert die Erna-Graff-Stiftung nun die Aushändigung sämtlicher, das Labor betreffender Unterlagen vom Landkreis Harburg und dem Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES).
Vier Monate lang arbeitete ein Tierschützer im Auftrag der Tierschützer als verdeckter Ermittler im Tierversuchslabor in Mienenbüttel. Dabei konnte er heimlich Filmaufnahmen erstellen, die den grausamen Alltag der Versuchstiere dokumentieren. Auf den Bildern sind zahlreiche Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen zu sehen. Tiere werden, oft einzeln, in winzigen Käfigen gehalten. Mitarbeiter entnehmen die verängstigten Tiere unter grober Gewaltanwendung aus den Käfigen und bestrafen diese für ihre Gegenwehr teilweise sogar mit Schlägen. Auf einem Video ist zu sehen, wie ein Mitarbeiter den Kopf eines Affen brutal gegen einen Türrahmen schlägt. Der Tierschützer berichtete außerdem, dass das Personal vielfach mangelhaft ausgebildet war. Blutabnahmen und das Platzieren eines Magenschlauches zur Verabreichung von Testsubstanzen wurden regelmäßig unfachmännisch und unter Gefahren für die Tiere durchgeführt.
Erschreckend sind auch Aufnahmen einer Studie an Beagle-Hunden. Nach tagelanger Verabreichung von Testsubstanzen lagen diese geschwächt und überwiegend kaum mehr ansprechbar in ihren Käfigen. Auf den Videos ist zu sehen, dass die Käfige der Hunde mit Blut übersäht waren. Die Tiere litten offensichtlich unter starken inneren Blutungen in Folge der Behandlungen. Statt die Tiere von ihrem Leid zu erlösen, wurde ihr Tod über Tage hinweg abgewartet.
Die desaströsen Haltungsbedingungen der Tiere und der brutale Umgang mit ihnen werfen die Frage auf, wie dem Betrieb jahrelang Tierversuchsgenehmigungen ausgestellt werden konnten. Jedenfalls bei den gesetzlich vorgeschriebenen Kontrollen hätten die nun aufgedeckten Missstände auffallen müssen. Hierzu hat der Tierschützer, der bei einer solchen Kontrolle anwesend war, eine Erklärung: Die Kontrolle im sog. Katzenstall, in dem etliche Tiere während der Versuche untergebracht waren, war bereits nach 40 Sekunden beendet. Dass in so kurzer Zeit eine angemessene Kontrolle der Tiere und der Haltungsbedingungen unmöglich ist, steht außer Frage.
Weiteres Vorgehen: Durch den Soko Tierschutz e.V. wurde bereits eine Strafanzeige gegen den Betrieb und die zuständige Behörde gestellt. Die EGS wird genau beobachten, ob nun ein Strafverfahren von der zuständigen Staatsanwaltschaft auch tatsächlich eingeleitet und aktiv betrieben wird. Viele deutsche Staatsanwaltschaften haben die Neigung, pflichtwidrig Tierschutzstraffälle vorzeitig einzustellen. Mit den, durch den gestellten UIG-Antrag begehrten Unterlagen, soll diese Strafanzeige zunächst ergänzt werden. Unser Ziel ist es, dass endlich auch die zuständigen Amtspersonen für ihre Untätigkeit strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Darüber hinaus erarbeitet die Stiftung Möglichkeiten, vor allem mittels der tierschutzrechtlichen Verbandsklage die Zustände in deutschen Tierversuchseinrichtungen grundlegend zu verbessern und langfristig dieser schrecklichen Praxis ein Ende zu setzen.
Hans-Georg Kluge, 1. Vorsitzender der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz betont die enorme Wichtigkeit eines rechtlichen Vorgehens wie folgt: „Das wird deshalb notwendig sein, weil vor allem die Bundesregierung, in der der Tierschutz nach wie vor beim Landwirtschaftsministerium angesiedelt ist, das sich häufig als Lobbyministerium der Nutztierhalter versteht, seit Jahren auch auf diesem Gebiet des Tierschutzes eklatant versagt.“