13. Juli 2020
Beim Fall des auf dem Erfurter Weihnachtsmarkt aufgefundenen und später getöteten Waschbären drängt sich nach etlichen Erkundigungen durch unsere Stiftung eine Frage auf: Wurde der Waschbär wirklich tierärztlich untersucht? Oder hat sich die Stadtverwaltung diese Begründung zurechtgelegt, um dem Aufschrei der entsetzten Bevölkerung zu begegnen?
Kurz nach dem Vorfall erklärte die Stadtverwaltung bereits, eine tierärztliche Untersuchung des Tieres habe eine Staupeerkranung ergeben. Man habe das Tier deshalb töten müssen. Auch Pressesprecher Daniel Baumbach gibt diese Begründung in einem Interview gegenüber dem MDR Thüringen ab.
Doch bereits wenige Monate später, nachdem wir ein Vorgehen gegen die Tötung und unsere Aufklärungsabsicht öffentlich gemacht haben, kamen an dieser Darstellung erste Zweifel auf. In einer öffentlichen Stellungnahme ruderte die Stadt mit obiger Darstellung des Ablaufs zurück. Ob der Waschbär tatsächlich krank gewesen sei oder nicht, spiele gar keine Rolle. Man wäre aufgrund von EU-Recht verpflichtet gewesen, den Waschbären, der zu den sog. invasiven Arten zählt, zu töten. Diese Argumentation der Stadt haben wir in folgendem Artikel beleuchtet und als falsch entlarvt.
Bei unserer Recherche wurden die Zweifel an der Richtigkeit der obigen Angaben weiter verstärkt. Zur Aufklärung des Falles haben wir sowohl Akteneinsicht bei der Berufsfeuerwehr, die das Tier aufgenommen und später dem Jäger übergeben hatte, als auch bei der unteren Jagdbehörde beantragt. In beiden Verfahren wurde unser Antrag positiv beschieden und wir erhielten Einsicht in die Behördenakten. In keiner der Akten ist von einer tierärztlichen Untersuchung des Waschbären die Rede.
Wir haben deshalb den Oberbürgermeister zur Offenlegung aller, die Aussage der Stadtverwaltung über die tierärztliche Untersuchung bestätigender Unterlagen aufgefordert. Hiermit soll ein für alle Mal geklärt werden, ob eine Erkrankung des Tieres tatsächlich festgestellt worden ist. Dieses Begehren werden wir notfalls auch klageweise geltend machen.
Um zu beurteilen, ob sich die Verwaltung mit der Tötung des Tieres auch strafbar gemacht hat, sind wir auf die Akteneinsicht angewiesen. Sollte uns diese bis zum Ablauf der Frist nicht gewährt werden, wird die Sache vor das Verwaltungsgericht kommen. Wir werden dann Klage auf Einsicht in die Akten gegen das Land Thüringen erheben.
Wir hoffen somit, dass die Strafanzeige zum Prozess führt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Dabei ist schon die gerichtliche Aufarbeitung solcher Vorfälle ein entscheidender Schritt: Weg von der bisherigen Zurückhaltung der Strafbehörden und -gerichte hin zu einer aktiven und wirksamen Durchsetzung des Tierschutzrechts. Dies geschieht im Moment noch nicht, Staatsanwaltschaften und Gerichte stellen Strafverfahren im Tierschutzrecht ganz überwiegend ein. Dabei ist es die Vorgabe unserer Verfassung, den Tierschutz als Staatsziel zu verwirklichen. Dies bedeutet, dass alle staatlichen Institutionen bei ihren Handlungen berücksichtigen müssen, ob hierdurch das Staatsziel bestmöglich gefördert und umgesetzt wird. Dieser Verantwortung für Tiere, die keine eigene Möglichkeit zur Rechtswahrnehmung haben, müssen die damit betrauten staatlichen Stellen engagiert wahrnehmen.
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