Luxus und Freizeitvergnügen

Im Bereich tierquälerischer –> Handlungen nimmt die Erzeugung mancher Luxusprodukte und das Quälen oder Töten von Tieren als Freizeitbeschäftigung insofern eine Sonderstellung ein, als hier der die Ausnahme von der Tierschutznorm rechtfertigen sollende —> vernünftige Grund mit Sicherheit nicht gegeben ist. Dementsprechend haben sich beide Kirchen (—> Kirche und Tierschutz) gerade in diesem Punkt entschieden eingesetzt. Die Deutsche Bischofskonferenz hatte bereits in ihrer Erklärung „Zukunft der Schöpfung — Zukunft der Menschheit” (1980, S. 17) gesagt: „Wir Menschen sind berechtigt, Leistungen und Leben der Tiere in Anspruch zu nehmen. Es ist jedoch nicht zu verantworten, daß Tiere, die fühlende Wesen sind, ohne ernste Gründe, etwa bloß zum Vergnügen oder zur Herstellung von Luxusprodukten, gequält und getötet werden.” Es ist völlig unverständlich, warum das zuständige Ministerium und der hierfür verantwortliche Bundestagsausschuß diesen Appell einfach ignoriert und damit einen wichtigen Schritt für mehr Tierschutz und die innere —> Kohärenz der Tierschutznovelle von 1986 verhindert haben.

I. Die tierquälerische Erzeugung von Luxusprodukten ist in zwei Bereichen üblich: bei Delikatessen und in der Mode.

(1) Zu den Delikatessen gehören insbesondere die Gänsestopfleber (—> Nutztierhaltung VI), Froschschenkel, Singvögel (—> Vogelfang) sowie die Suppenschildkröte. Nach einem Bericht in der Zeitschrift „natur” (1985, Heft 3, S. 16) werden jährlich über2000 Millionen Froschschenkel gegessen, z. B. im Jahr 1983 12 Millionen in der Bundesrepublik und nach Mitteilung der Schweiz. Gesellschaft für Tierschutz (1985, Heft 1, S. 20) 8 Millionen in der Schweiz; davon werden 4 Millionen tiefgefroren und 4 Millionen lebend eingeführt, und nur die lebend eingeführten haben, jedenfalls in der Schweiz, einen kurzen Tod. Angeblich handelt es sich um gezüchtete Tiere aus Farmen; die „Farmen” sind aber nur eingezäunte Fangfelder. Die eingesammelten Tiere werden an einem feststehenden Messer entzweigeschnitten und der noch lebende, aber nun beinlose Rumpf auf den Abfallhaufen geworfen, wo das Sterben dann noch etwa 30 Minuten andauert. Gelegentlich werden die Tiere durch Eintauchen in Salzwasser „betäubt”. Der Rückschlag der Natur läßt in diesem Falle nicht lange auf sich warten: Seit der Dezimierung der Frösche nehmen auf den Reisfeldern in Bangladesch die Schadinsekten und Krankheitsüberträger zu, die Reisernten ab. Inzwischen sind die Ausgaben für Pestizide inkl. DDT bereits doppelt so hoch wie der Erlös aus dem Froschhandel. Trotzdem weigerte sich der Deutsche Bundestag, ein Importverbot zu erlassen, und das am gleichen Tag, an dem die Tierschutznovelle (—> Gesetzlicher Tierschutz) verabschiedet wurde und obwohl die zwei am meisten gefährdeten asiatischen Froscharten (Die Zeit 1985, Nr. 21) unter das Washingtoner Arten- schutzabkommen (—> Naturschutz II) fallen. Ein vom Schweizer Tierschutz herausgegebenes Faltblatt bringt unter dem Titel „In Menschen- hand” einen Bericht über die Praktiken der Frosch- und Schildkrötenmassaker sowie des Gänsestopfens. In früheren Jahren soll auch der deutsche Bundespräsident seinen Staatsgästen die berühmte Gänseleberpastete vorgesetzt haben. Auf eine Rückfrage antwortete Frau Dr. Veronica Carstens am 16.12.1980: „Ich kann Ihnen versichern, daß weder mein Mann noch ich Froschschenkel, Gänsestopfleber und dergleichen essen, noch unseren Gästen anbieten.”

(2) Luxusprodukte gibt es aber auch im Modebereich, wie etwa Leder- und Pelzmodewaren, wenn die Tiere nur der Häute wegen und nicht auch zur Ernährung gebraucht werden. Seit die fortgeschrittene Textiltechnik in der Lage ist, uns ausreichend vor Kälte zu schützen, und es außerdem fertiggebracht hat, qualitativ hochwertige Kunstpelze und Kunstleder in jeder beliebigen Farbe und Struktur herzustellen, besteht auch kein nur annähernd vernünftiger Grund mehr, an den Gewohnheiten früherer Jahrhunderte festzuhalten.

Im Bereich der —> Tierversuche ist inzwischen allgemein anerkannt, daß man auf Tiere immer nur dann zurückgreifen darf, wenn die verfolgten Zwecke auf andere Weise nicht erreichbar sind. Die dieser Regelung zugrunde liegende Generalnorm verbietet also, in das Leben oder Wohlbefinden von Tieren einzugreifen, wenn der mit dem Eingriff verfolgte Zweck mit irgendeinem anderen, moralisch unbedenklichen Mittel erreicht werden kann. Dieses Prinzip kann nicht willkürlich auf den Tierversuch begrenzt werden, sondern muß in bezug auf unser Umgehen mit dem Tier allgemeine Geltung haben. Trotzdem wird man hier kein schnelles Verbot erreichen; das mindeste, was aber geschehen müßte, wäre eine drastische Verbesserung der Haltungsbedingungen für Pelztiere, und zwar aus folgenden Gründen: Naturpelze sind überflüssig, weil sie in der Regel nur aus modischen und Prestigegründen getragen werden. Außerdem werden sie häufig auf besonders grausame Weise gewonnen, und zwar sowohl durch unverantwortbare Jagd- und Fangmethoden in der Natur, wie auch durch Zucht und Intensivhaltung unter tierschutzwidrigen Bedingungen.

II. Auch das Quälen oder Töten von Tieren als Freizeitbeschäftigung ist mit dem Argument des vernünftigen Grundes nicht zu entschuldigen. Das gilt sowohl hinsichtlich der in einigen Ländern immer noch erlaubten Jagd auf Singvögel (–> Vogelfang), wie auch in bezug auf jede andere –>Jagd, wenn sie nur um des V ergnügens willen oder sonst un- verantwortlich ausgeübt wird, und das „Sportangeln”, das meistens auch mit –> Schmerzen und Streß für die Tiere verbunden ist, weil die Angelhaken nicht sorgfältig gelöst werden und die Tiere oft genug ungetötet im Plastikbeutel ersticken. Neben den Beutetieren sind gelegentlich auch lebende Ködertiere, wie kleine Fische oder Regenwürmer, betroffen. Versuche, wenigstens die Verwendung von Köderfischen, die doch Wirbeltiere sind, auszuschließen, sind bisher sowohl in der Bundesrepublik (vgl. hierzu die Anfrage des Abg. Stutzer, Bundestagsdrucksache 10/2914, Frage 85, und die entsprechende Antwort, S. 9198) als auch in der Schweiz (U. Vogel 1980, S. 118) gescheitert. Auch die Tierschutznovelle bringt hier keinerlei Fortschritt. Weil die Zahl der Hobbyangler ständig zunimmt (sie hat sich in der Bundesrepublik in der Zeit von 1960 bis 1980 vervierfacht und inzwischen die Millionengrenze überschritten), wird eine Korrektur immer schwieriger, denn wer will schon eine Million Wähler verärgern? Wir sind in diesem Bereich also in einer ähnlichen Lage wie der Gesetzgeber in Italien bezüglich der Jagd auf Zugvögel.

Auch wenn manche Angler-Verbände darum bemüht sind, waidgerechte Standards einzuhalten und ihren Mitgliedern eine angemessene Ausbildung zu vermitteln, so bedarf es dennoch drastischer Einschränkungen, um zunmindest die verschiedenen Auswüchse unter Kontrolle zu bringen und allmählich ein Unrechtsbewußtsein zu wecken. Vgl. hierzu den Bericht von Werner Eckhardt „Von Sportfischern und den Grenzen, ein Sportler zu sein” in der F. A. Z. vom 30.3.1985. Besonders zu verurteilen ist der Betrieb von sogenannten Angelarenen, d. h. künstlich angelegten Gewässern mit massenweise eingesetzten Zuchtfischen. Die Betreiber geben an ihre Kunden Scheine aus, die zum Angeln in dieser Anlage berechtigen, ohne daß die letzteren über entspre-chende Kenntnisse oder Erfahrungen verfügen. Meist wird nur aus Spielerei geangelt und der jeweils gefangene Fisch wieder in das Becken geworfen und damit der gleichen Prozedur erneut ausgesetzt. Auch das Anreichern natürlicher Gewässer durch gezüchtete und oft lange transportierte Fische ist höchst fragwürdig. Entsprechend sind auch viele Fischerfeste, Preis- und Wettangelveranstaltungen abzulehnen. Das Töten von Tieren im Festrummel und mit Kindern, denen das dann selbstverständlich wird, ist mit Geist und Buchstaben des Tierschutzgesetzes unvereinbar. Um so unverständlicher ist die Passivität des Gesetzgebers, der nicht einmal einen Versuch in dieser Richtung unternommen hat. Vgl. hierzu auch Hermann Dross (1986).

III. Es ist merkwürdig, daß die Angler im Gegensatz zu den Jägern nur zu einem kleinen Teil den möglichen Weg der Sublimierung ihrer Leidenschaft eingeschlagen haben. Die große Mehrheit aller Schützen schießt heute nicht mehr auf lebende Ziele, sondern auf Papierscheiben oder Tontauben und trägt auch ihre Wettkämpfe so aus. Das Preis- und Wettangeln wird aber auch heute noch nach der tatsächlich gefangenen Beute entschieden. Zwar ist, ähnlich wie das Scheibenschießen, auch ein Trocken-Zielangeln, das „Casting”, entwickelt worden, aber dieser Sport ist weitgehend unbekannt geblieben oder in Vergessenheit geraten, obwohl er zu Beginn des Jahrhunderts sogar einmal olympische Disziplin gewesen ist; vgl. Werner Eckhardt (F. A. Z. vom 30.3.1985). Das Casting ist heute ein Minderheitensport, der es verdiente, von den Tierschutzverbänden gefördert zu werden. So könnte der „Angelboom” vielleicht doch noch in gewissen Grenzen gehalten werden. Vgl. hierzu auch A. F. Goetschel (1986, S. 32, 42f., 79, 81, 203).

Literatur: Im Text erwähnt.

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