Das Verhältnis zwischen M. u. R. zu klären, ist eine Aufgabe der Rechtsphilosophie. Für die Frage des Tierschutzes hier einige wenige Hinweise: (1) Die Übernahme und Befolgung ethischer Normen (—> Ethische Orientierung II) ist ein Akt der freien, verantwortlichen Entscheidung des Menschen. (2) Soweit die Gesellschaft moralische Normen zur Grundlage von Gesetzen macht und deren Einhaltung durch Sanktionen gegen Zuwiderhandlungen schützt, sind solche Normen verbindlich vorgeschrieben. Dabei gilt im Rechtsstaat die Regel, daß alles Nicht-Verbotene erlaubt ist oder zumindest geduldet wird. Der Übergang vom Verbotenen zum Erlaubten ist jedoch gestuft, und zwar innerhalb des Verbotsbereiches durch die Einteilung in Ordnungswidrigkeiten, Vergehen und Verbrechen mit jeweils unterschiedlichem Strafmaß oder Bußgeld. Außerdem gibt es Verbote, die zwar als Verbote gelten, aber straflos bleiben, wie im Falle des Schwangerschaftsabbruches unter bestimmten Voraussetzungen. Hierdurch soll deutlich gemacht werden, daß der Gesetzgeber die verbotene Handlung nicht billigen, sondern das Unrechtsbewußtsein ausdrücklich wachhalten will. Meistens wird dieser Weg als Liberalisierungsschritt gewählt. Er sollte aber auch erwogen werden, wenn eine bisher erlaubte Handlung mit deutlicher Mißbilligung, wenn auch nicht mit Strafe, belegt werden soll. Diese Möglichkeit sollte auch für die weitere Ausgestaltung des —> gesetzlichen Tierschutzes bedacht werden.
In der Rechtsphilosophie ist die Beziehung zwischen M. u. R. umstritten, d. h. die Meinungen gehen darüber auseinander, wie eng oder lose sich das Recht an die Moral anlehnen soll. Mit Sicherheit ist es nicht die Sache des Rechtes, einfach nur der verlängerte Arm der –> Moral zu sein, mit dem Ziel, jede moralwidrige —> Handlung mit Strafe zu belegen. Denn ethische Normen unterscheiden sich von Gesetzesnormen gerade durch ihre Strenge und den Umstand, daß ihre Befolgung oder Nichtbeachtung in die persönliche —> Verantwortungdes einzelnen Bürgers fällt. Das heißt allerdings nicht, daß sich das Recht grundsätzlich von der Moral emanzipieren dürfte (vgl. Georg Teichtweier 1982, S. 14), vielmehr sollte der Gesetzgeber die besondere Verwerflichkeit der Mißhandlung wehrloser Tiere (vgl. die amtliche Begründung des deutschen Tierschutzgesetzes von 1972 zu dem in der Novelle unverändert gebliebenen § 17) auch in der Angemessenheit der Sanktionen deutlich machen. Vor allem ist es unerträglich, wenn z. B. in der Nutztierhaltung laufend gegen bestehende Vorschriften verstoßen wird, weil die Zahlung der Bußgelder finanziell leichter zu verkraften ist als die Behebung der beanstandeten Mängel.
Günther Patzig, der M. u. R. deutlich voneinander verschieden, aber mit engen sachlichen Beziehungen sieht, will die Aufgabe, das —> Wertbewußtsein in der Gesellschaft wachzuhalten und der weiteren Pluralisierung und Relativierung der geltenden Moral durch die Betonung ethischer Grundwerte entgegenzuwirken, der Erziehung zuweisen (1983, S. 15 und 21). Es ist sicher richtig, daß gerade die humane —> Einstellung des Menschen zum Tier nicht durch abschreckende Strafen er- reicht werden kann. Man muß im Gegenteil befürchten, daß ein wegen —> Tierquälerei Bestrafter sich bei passender Gelegenheit an den Tieren für die erlittene Unbill rächen wird. Auch unter Tierschutzaspekt kommt der —> Tierschutzerziehung große Bedeutung bei.
Weitere Literatur: St. R. L. Clark 1977. S. 105-109, O. Höffe u. a. 1979, N. Hoerster 1987, A. Kaufmann 1964, K. Larenz 1979, S. 12-23, B. E. Rollin 1981.