Züchtung war bis vor kurzem ein in seinen Möglichkeiten begrenzter Eingriff des Menschen, indem er zufällig auftretende Erbvarianten nutzte. So entstanden die verschiedenen Rassen der Haustiere. Wie diese Z. insbesondere bei Hunden zu bloß willkürlich herbeigeführter Degeneration entartete, kann man insbesondere bei Heiko Gebhardt (1978) nachlesen. Inzwischen kann der Mensch auch unmittelbar in das Erbgeschehen eingreifen, wenn auch oft noch ungezielt. Nach und nach können einzelne Eigenschaften, wie etwa die Körpergröße, verändert werden. Auch Schimären, wie etwa die bekannt gewordene „Schiege”, eine Retortenkreuzung zwischen Schaf und Ziege, sind bereits „machbar”.
I. Die unter tierschutzethischem Aspekt drängende Frage ist aber nicht die, wann und bis zu welcher Perfektion die Gentechnologie bestehende Arten beliebig verändern oder neue Arten nach eigenen Wünschen „erschaffen” kann, sondern die nach der ethischen Erlaubtheit solcher Eingriffe. Als Klaus Zeeb und R. G. Beilharz (1980) die Frage der genetischen Anpassung der Nutztiere an die intensive –> Nutztierhaltung diskutierten, geschah dies mit Sicherheit auch in dem Gedanken, daß damit das — >Leiden als Folge unterdrückter Verhaltensbedürfnisse zum Verschwinden gebracht werden könne. Die -> Ethologiehätte keine Verhaltensanomalien mehr festzustellen, und das –> Wohlbefinden solcher auf die Bedingungen der Intensivhaltung gezüchteten Tiere wäre nicht mehr anzuzweifeln. Ein stumpfsinniges Tier, das keine über das Käfigdasein hinausgehenden Bedürfnisse hat, kann auch nicht leiden, und der Tierschützer könnte eigentlich zufrieden sein, sofern sein Tierschutz nur auf dem -> Wohlbefindensprinzip beruht. Aber die Tierschützer wollen gerade nicht die Anpassung der Tiere an die Erfordernisse wirtschaftlicher Haltung, sondern die Anpassung der Haltungsbedingungen an die Erfordernisse artgerechten Verhaltens, so wie es ja auch die neueren Tierschutzgesetze verlangen; vgl. hierzu auch I. Unshelm (1986, S. 396).
II. Geht es bei Zeeb und Beilharz (1980) noch darum, Nutztiere den vorgegebenen Haltungsbedingungen anzupassen, so geht die Gen-Technologie bzw. Chimärenzüchtung bereits einen Schritt weiter. So wird der Mensch zum „Schöpfer” neuer Tierarten, und die Frage, ob dies ethisch erlaubt ist, wird kaum gestellt, solange der Mensch unangetastet bleibt. Aber die Entwicklung geht weiter: Genetisch manipulierte Tiere werden, wie Henning Engeln berichtet („Das Menschen- Schwein ges. gesch.” Die Zeit Nr. 20, 1987), in den USA patentiert, und auch das immer wieder in Abrede gestellte „Zwischenwesen aus Menschen und Affen” ist nach H.-B. Wuertneling (F.A.Z. vom 20.5.1987) nicht mehr auszuschließen. Ob den beteiligten Wissenschaftlern die damit verbundene Verantwortung wirklich bewußt ist?
Hier sollte man sich auch in Erinnerung rufen, was die Arbeitsgruppe „Sozialethik und Nutztiere” des Instituts für Sozialethik der Universität Zürich 1976 in ihrem 8-Punkte-Programm verlangt hat: „Die Beeinflussung des Erbmaterials darf nur soweit gehen, als das Tier seine Kreatürlichkeit beibehalten kann, d. h. daß seine selbständige Lebensfähigkeit jederzeit, auch in natürlicher Umgebung, gewährleistet bleibt.” (Zitiert nach E. von Loeper, G. Martin, J. Müller u. a. (1985, S. 35).
Gegen den selbstverständlichen Anspruch der Forschung, an und mit Tieren ungehindert zu experimentieren, hat sich noch niemand mit einem ethisch begründeten Nein gemeldet; es ist ja auch eine schwierige und neue Materie. Nur die biblische Ethik hat eine Orientierungshilfe zur Verfügung, indem die Schöpfungsgeschichte dem Artcharakter der Tiere besonderes Gewicht beimißt: „ein jegliches nach seiner Art” ist eine häufige Formulierung der ersten Kapitel der Bibel. Tiere verschiedener Art sollen noch nicht einmal gemeinsam vor dem Pflug gehen (5. Mose 22,10). Die geschöpfliche Würde und artspezifische Integrität ist unangefochten.
Weitere Literatur: R. G. Beilharz 1982, J. van Roijen 1983, H.H. Sambraus 1981a.