16. November 2020
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/ die Grünen hat ein Gutachten zur Reform des Tierschutzstrafrechts in Auftrag gegeben. Die Tierschutzstrafrecht-Reform soll zu einem effektiveren Tierschutz sowohl im Bereich der Tierschutzkontrollen als auch bei der Ahndung von Tierschutzverstößen führen.
Gutachter Dr. Prof. Jens Bülte schlägt vor, den Straftatbestand der Tierquälerei erneut in das Strafgesetzbuch und zwar in einen neu geschaffenen § 141 StGB aufzunehmen. Dort war der Paragraph im Jahr 1933 gestrichen und in ein eigenständiges Gesetz aufgenommen worden, was eine mangelnde Sichtbarkeit der Strafvorschrift zur Folge hatte.
Auch Reformen in der Vergangenheit, etwa im Umweltstrafrecht, haben gezeigt, dass eine Integration in das Kernstrafrecht zu einer effektiveren Ahndung von Verstößen führt.
Dies liegt unter anderem an der Ausgestaltung des Jurastudiums. Die Ausgliederung der Norm aus dem Strafgesetzbuch hatte zur Folge, dass Jurastudenten während ihrer Ausbildung keinerlei Berührung mit dem Tierschutzstrafrechts haben, denn dort wird primär das Kernstrafrecht gelehrt. Eine Integration der Tierquälerei in das StGB würde folglich eine bessere Vorbereitung der Justizanwärter*innen auf ihre Arbeit bei Staatsanwaltschaft oder Gericht bedeuten.
Bülte schlägt außerdem eine Erhöhung der Strafandrohung für schwere Taten der Tierquälerei vor. Zum Beispiel sollen Tierhalter/Tierbetreuer aufgrund der ihnen obliegenden erhöhten Verantwortung für die Tiere mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren anstelle von 3 Jahren bestraft werden können. Gleiches soll für Amtsträger gelten, also für Personen der Kontrollbehörden, die Tierschutzverstöße sehenden Auges dulden.
Der Straftatbestand der Tierquälerei ist bisher nur dann erfüllt, sofern er vorsätzlich begangen wird. Bülte schlägt vor, jedenfalls für besonders Verpflichtete, wie Tierhalter/Tierbetreuer und Amtsträger auch eine fahrlässige Begehungsform einzuführen. Jedenfalls die leichtfertige Tierquälerei als stärkste Form der Fahrlässigkeit sollte unter Strafe gestellt werden.
Ebenso sei dringend erforderlich, auch den Versuch der Tierquälerei unter Strafe zu stellen. Bisher erlaubt das TierSchG nur eine Bestrafung bei Vollendung der Straftat.
Die vorherrschenden Vollzugsdefizite im Tierschutz machen eine Reform des Tierschutzstrafrechts dringend notwendig. Dies betrifft zum einen die Aufdeckung von Straftaten aufgrund mangelnder Kontrollen, zum anderen aber auch die unzureichende Ahndung von Straftaten durch die Justiz. Laut Angaben des statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2018 von insgesamt 801 Verurteilungen 761 Geldstrafen verhängt. Von den 40 verhängten Freiheitsstrafen wurden 38 zur Bewährung ausgesetzt, nur 2 Täter mussten somit unmittelbar eine Haftstrafe antreten.
Bülte berichtet zudem davon, dass Staatsanwaltschaften bei dem Verdacht der Tierquälerei weitaus höhere Anforderungen an einen für den Beginn der Ermittlungen notwendigen Anfangsverdacht stellen, als bei anderen Straftaten. Zudem bestünden aufgrund der mangelnden Erfahrung im Tierschutzstrafrecht oft Verständnisschwierigkeiten, die zu einer fehlerhaften Anwendung der Strafnorm führen würden.
Nicht umsonst hat sich seit Jahren unter Tierschützern die Ansicht verstärkt, dass Strafanzeigen in den meisten Fällen erfolglos enden und man nur in dem außerordentlich seltenen Fall eines besonders engagierten Staatsanwaltes auf eine Gerichtsverhandlung und damit auf eine Verurteilung hoffen könne. „Die Staatsanwaltschaften sind generell überlastet, was dazu führt, dass bei geringfügigen Vergehen zu einer schnellen Verfahrensbeendigung durch Einstellung geneigt wird. Verfahren, die für den Staatsanwalt/die Staatsanwältin zusätzlich noch erhöhten Rechercheaufwand bedeuten, da die Materie weder in der Ausbildung vermittelt wurde noch in der Standardlektüre zum Strafgesetzbuch nachzulesen ist, sind besonders unbeliebt. Hinzu kommt, dass vor allem im Tierschutzstrafrecht aufgrund der auslegungsbedürftigen Rechtsbegriffe eine Auseinandersetzung mit der hierzu ergangenen Rechtsprechung unverzichtbar ist. Eine Aufnahme der Tierquälerei in das Strafgesetzbuch würde es Mitarbeiter*innen der Staatsanwaltschaft erleichtern, mit diesen Verfahren auftragsgemäß umzugehen und den Tierschutz effektiver durchzusetzen.“, erklärt Eva Biré, Rechtsanwältin der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz.
Dieser Missstand wird auch im Rahmen unserer Stiftungsarbeit immer wieder deutlich. Schon seit Jahren setzt sich unsere Stiftung deshalb für die Einführung von Verbandsklagerechten für Tierschutzorganisationen ein, mit Hilfe derer Behörden zum Einschreiten bei Tierschutzverstößen gezwungen werden können. Die Einführung eines solchen Klagerechts machte erst ein zunehmendes Vollzugsdefizit im Tierschutzrecht nötig. Dennoch bleibt die Kontrolle, Aufdeckung und Ahndung von Tierschutzverstößen eigentliche Aufgabe des Staates, weshalb jede Maßnahme getroffen werden muss, die zu einer verbesserten Verwaltungs- und Strafrechtspraxis im Bereich des Tierschutzes führt.
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