Klageverfahren: Brieftaubensport – ein Zeitvertreib für Menschen, eine Qual für die Tiere

29. Juli 2020

Brieftaubensport ist seit Jahrzehnten Teil der deutschen Kultur. Vor allem Im Ruhrgebiet und Süddeutschland ist der Sport sehr populär. Für die Tiere stellt er jedoch in vielerlei Hinsicht eine Qual dar. Mit unserer Klage soll dem ein Ende bereit werden.

Brieftaubensport

In deutschen Taubenschlägen leben ca. 10 Millionen gezüchtete Tauben, während ca. 80.000 Brieftaubenzüchter unaufhörlich für Nachwuchs sorgen. Zur Veranschaulichung: in deutschen Haushalten leben ca. 14 Mio Hauskatzen und 9 Mio Hunde.

Nur die Leistung zählt im Brieftaubensport

Brieftauben werden auf die Merkmale Orientierungsfähigkeit, Zuverlässigkeit und physische Leistungsfähigkeit hin gezüchtet. Zuchtziel ist eine Flugleistung von bis zu 1000 km mit einer Geschwindigkeit von bis zu 110 km/h. Die Brustmuskulatur bekommt die Aufgabe des „Flugantriebsmotor“, er macht den größten Teil der Körpermasse aus.

In Wettflügen wird die Leistungs-, und Orientierungsfähigkeit der Tauben auf die Probe gestellt. Hierbei ist vielen Züchtern allein die Leistung ihrer Tiere wichtig – die Gesundheit der Tiere wird vollkommen außer Acht gelassen. Die Tauben werden vor den Wettkämpfen in kleinen Boxen auf LKW’s mehrere hundert Kilometer transportiert. Während der Wettflüge sterben nicht selten 20% der eingesetzten Tiere (vgl. Department of Biology, University of Utah,„Divergence, convergence,and the ancestry of feral populations in the domestic rock pigeon.“). Nach einer Studie von Matthias Warzecha aus dem Jahr 2009 liegt die Rate in Deutschland sogar über 50 % (Beitrag zur Ermittlung von Kennzahlen zu Verlusten bei Wettflügen von Brieftauben (Untersuchungszeitraum: 2004 – 2008) von Matthias Warzecha, Klaus Kahlcke und Martina Kahlcke). Dabei bleibt es jedoch nicht. Die genauen Verlustzahlen sind viel höher, da auch in Trainingsflügen immer wieder Tauben verloren gehen oder sterben.

Ursache dafür sind Erschöpfung, Flüssigkeitsmangel, Hunger und Angriffe von Fressfeinden. Selbst jene Tauben, die diesen Gefahren aus dem Weg gehen können, finden oft nicht zurück zu ihrem Nest und müssen ein qualvolles Leben auf der Straße führen. Die ehemaligen Zuchttauben kann man leicht durch ihre Beringung erkennen. So könnte man sie eigentlich ohne großen Aufwand dem jeweiligen Züchter zurückgeben. Doch diese wollen die Tiere oft nicht zurücknehmen. Ein Tier, das beim Wettkampf versagt, ist für den Sport wertlos (s. https://www.tagesspiegel.de/berlin/tauben-in-der-stadt-nicht-fuettern-ist-auch-keine-loesung/6678608-3.html).

Die grausamen Trainingsmethoden

Damit die Tiere zurück zu Ihrem Taubenschlag finden, wird die Treue und die Angst der Tiere ausgenutzt, denn Tauben sind sehr beständige Tiere und bleiben meist ihr ganzes Leben bei demselben Partner. Wenn ein Taubenpaar getrennt wird, versucht die Taube daher schnellstmöglich zurück zu ihrem Partner und ihrem Nachwuchs zu finden, auch wenn sie das in Lebensgefahr bringt. Diese grausamen Methoden werden im Brieftaubensport „Nestmethode“ und „Witwermethode“ genannt. Dadurch dass die Tauben in der Regel so schnell wie möglich heim kommen wollen, fliegen sie oft sehr hohe Geschwindigkeiten. Das kann zu Kräfteverlust führen oder dass sie blind über das Ziel hinaus fliegen. Dabei gehen sie oft verloren.

Tötung leistungsschwacher Tauben

Besonders grausam wird mit leistungsschwachen Tieren im Brieftaubensport umgegangen. Tauben, die sich bei Trainingsflügen verfliegen, nicht die gewünschte Geschwindigkeit erreichen oder ihr Federkleid nicht richtig erneuern, werden „selektiert“, wie es unter Züchtern heißt, oftmals ohne Betäubung durch Langziehen und Umdrehen des Halses.

Verstoß gegen das Tierschutzgesetz

Die Verlustraten im Brieftaubensport sind seit Jahren allgemein bekannt. Brieftaubensportler begehen damit bei jedem Wettkampf eine bußgeldbewährte Tieraussetzung nach § 3 Nr. 3 TierSchG. Ausreichend ist hierfür, dass ein in Obhut eines Menschen gehaltenes Tier tatsächlich ausgesetzt, d.h. sich allein überlassen wird, und der Halter dies zumindest billigend in Kauf nimmt. Dieser Rechtsbegriff ist eine Ausprägung des Vorsatzes und umfasst subjektiv all jene Taten, bei denen der Täter den Taterfolg für möglich hält und ihn billigend in Kauf nimmt. Daneben ist auch eine fahrlässige Aussetzung möglich. Das bedeutet, dass auch der Brieftaubensportler, der sich weder die Verlustraten noch die sonstigen Gefahren für die Tauben bewusst gemacht hat, eine Ordnungswidrigkeit begeht, da er diese Folgen für die Tiere hätte erkennen müssen.

Daneben verstößt die Tötung von Tieren allein aufgrund ihrer Ungeeignetheit für den Brieftaubensport gegen das allgemeine Tötungsverbot des Tierschutzgesetzes. Hiernach ist die Tötung eines Tieres nur erlaubt, wenn ein vernünftiger Grund für die Tötung vorliegt. Nach dem Deutschen Brieftaubenzüchter e.V. dienen die selektierten Tauben ausschließlich dem eigenen Lebensmittelbedarf. Das dies tatsächlich bei jedem Taubenzüchter der Fall ist, kann aufgrund etlicher gegenteiliger Berichte bezweifelt werden. Vor allem mit Blick auf die neuerliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Kükentöten kann dem Erhalt des Brieftaubensports als Freizeitbetätigung kein genereller Vorrang vor dem Schutz des einzelnen tierischen Lebens mehr eingeräumt werden. Vielmehr schützt das Tierschutzgesetz auch das Leben jeden einzelnen Tieres als solches. Nicht jedes menschliche Interesse vermag es, Tierschutzbelange zurückzudrängen. Spätestens mit der Einführung des Staatsziels Tierschutz in Art. 20 a GG ist anerkannt, dass der Tierschutz auch geeignet ist, Grundrechte einzuschränken.

Die fatalen Folgen im Brieftaubensport

Von den ausgesetzten Brieftauben können wir einen Großteil hier bei uns in den Bahnhöfen, unter Brücken und in Parkanlagen wieder finden. Sie fristen nun als Straßentauben ihr Dasein und haben es aufgrund ihrer Prägung als Zuchttaube oft schwer. Durch die auf Leistung und Nachkommenerzeugung ausgerichtete Zucht, brüten Zuchttauben anders als Wildtauben mehrmals im Jahr, was zu einem extremen Anstieg der Straßentaubenpopulation führt. Um diesem „Straßentaubenproblem“ Herr zu werden, werden städtischerseits Fütterungsverbote verhängt, Spikes angebracht, und Schädlingsbekämpfungsunternehmen beauftragt. Langfristig führt der einzige und nachhaltige Weg jedoch allein über ein Verbot des Brieftaubensports. Nur so kann verhindert werden, dass immer wieder neue Zuchttauben als Straßentaube enden.

Unser Klageverfahren

Mit unserem Klageverfahren, bei dem viele wichtige Grundsatzfragen in Bezug auf Tauben zu klären sind, geht es u.a. darum, feststellen zu lassen, dass unsere Straßentauben ehemalige Zucht- und Brieftauben sind. Gelingt es uns, dies vor Gericht durch wissenschaftliche Gutachten zu belegen, stehen die Tiere rechtlich gesehen weiterhin im Eigentum der Taubenzüchter, die sie ausgesetzt haben. Sie gelten dann als Fundtiere, sodass der Staat verpflichtet ist, sich um die Tiere zu kümmern: sie zu verpflegen und gesund zu halten. Des Weiteren würde uns damit gelingen, endlich klarzustellen, dass Brieftaubenzüchter durch die Wettkämpfe und Trainings eine bußgeldbewährte Aussetzung begehen. Mehr Informationen zum Klageverfahren gibt es hier.

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