Kükentöten: So führt Klöckner Bürger hinters Licht

17. September 2020

Wir erläutern, warum Klöckners angeblicher Kampf für ein Ende zum Kükentöten mehr Schein als Sein ist und Klöckner mit dem neuen Gesetzesentwurf nach wie vor der Aggrarlobby den Rücken stärkt.

Kükentöten

1. Gesetzesentwurf enthält erneute Frist bis Ende 2021

Obwohl die Diskussion um ein baldiges Verbot der Kükentötungen bereits seit dem Jahr 2008 auch auf Bundesebene geführt wird, sieht das geplante Gesetz abermals eine Frist zum Ausstieg bis zum Ende des Jahres 2021 vor. Zur Begründung heißt es in der offiziellen heutigen Stellungnahme Klöckner’s, eine kürzere Frist sei den Landwirten deshalb nicht zuzumuten, da Alternativverfahren bislang nicht vorlägen. Ein Verbot mache nur Sinn, wenn der Branche eine Alternative zur Verfügung stehe. Ansonsten würden die Betriebe in das Ausland abwandern. Nun stehe eine marktreife Alternative durch die Geschlechtererkennung im Brutei bereit und könne bis Ende 2021 breitflächig eingesetzt werden. Ein Argument das, da bereits seit vielen Jahren vorgebracht, immer mehr an Glaubwürdigkeit verliert.

Bereits im November 2018 hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium eine Pressemitteilung unter dem Titel herausgegeben: „Durchbruch: Gemeinsam Kükentöten beenden! Die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft und SELEGGT stellen marktreife Methode zur Geschlechtsbestimmung im Brut-Ei vor.“ Darin heißt es, dass ab November 2018 in ausgewählten Märkten die ersten Konsumeier zu finden seien, die dieses Verfahren zur Geschlechterbestimmung im Ei durchlaufen haben.

„Jetzt ist es möglich, durch ein nadelspitzen-winziges Loch das Geschlecht der Küken im Brut-Ei festzustellen. Männliche Brut-Eier müssen also nicht mehr ausgebrütet und die Küken dann auch nicht mehr getötet werden. Das ist eine Spitzenleistung der Wissenschaftler, und ich freue mich, dass es Praxispartner in der Wirtschaft gibt, die dieses Verfahren zur Anwendung bringen und allgemein zugänglich machen.“, erklärte Klöckner gegenüber der Presse.

Warum heute, zwei Jahre nach dieser feierlichen Ankündigung Klöckner‘s, das damals marktreife Verfahren immer noch nicht verfügbar ist und erst Ende 2021 für Brütereibetriebe bereitstehen soll, erschließt sich nicht und bedarf der – wie so oft ausbleibenden Erklärung – seitens der Bundeslandwirtschaftsministerin.

2. Verschlechterung gegenüber aktueller Gesetzeslage

„Mit dem Gesetzesentwurf bewirkt Klöckner eine Verschlechterung gegenüber dem Bundesverwaltungsgerichtsurteil zum Kükentöten. Denn hiernach hätte eine Beendigung dieser tierquälerischen Praxis maximal ein Jahr nach dem Urteil erfolgen müssen. Mit dem nun gefeierten Ausstieg aus dem Kükentöten bis Ende 2021 verlängert Klöckner damit das Leid der Küken in rechtswidriger Weise um weitere Jahre.“, erläutert unser 1. Vorsitzender, Hans-Georg Kluge, der im Gerichtsverfahren zum Kükentöten vor dem Bundesverwaltungsgericht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt aufgetreten ist und selbst als früherer Staatssekretär und Landrat in NRW aus der Politik stammt.

Denn bereits im Juni 2019 erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Praxis des Kükentötens für grundsätzlich rechtswidrig. Einzig und allein der Zeitpunkt der daraus zwingend resultierenden Beendigung blieb unkonkret. Jedenfalls wurde seitens vieler involvierter Stellen eine Maximalfrist von einem Jahr ab Verkündung des Urteils gefolgert, wie es beispielsweise auch NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser gegenüber dem Deutschlandfunk bestätigte (zum Artikel).

3. Im Gerichtsverfahren hielt Klöckner Kükentöten noch für gerechtfertigt

Dass es Klöckner nicht darum geht, das Kükentöten so schnell wie möglich zu beenden, zeigen auch uns übermittelte Unterlagen unserer Partnerorganisation Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt, die im Rahmen eines Informationsgesuchs beim BMEL beschafft werden konnten. Aus den Unterlagen ergibt sich, dass Klöckner`s Ministerium noch während des Gerichtsprozesses im Jahr 2019 eine Abschaffung des Kükentötens um jeden Preis zu verhindern versuchte. Vielmehr wies das Ministerium den Vertreter des Bundesinteresses beim Verwaltungsgericht an, wie folgt zur Erforderlichkeit des Kükentötens vorzutragen: „Diese Feststellungen lassen demnach die Einstufung des Zwecks der Kostenersparnis für die Aufzucht der männlichen Küken als vernünftigen Grund für deren Tötung seitens des Berufungsgerichts als gerechtfertigt erscheinen.“

4. Täuschung gegenüber dem Gericht

Offensichtlich um eine sofortige Beendigung des Kükentötens als Folge des Bundesverwaltungserichtsprozesses zu verhindern, täuschte Klöckner’s Ministerium auch das Gericht, indem sie mitteilte, Alternativverfahren seien in Kürze marktreif und verfügbar, obwohl sie wusste, dass dem nicht so ist. Auch dies ergibt sich aus den uns vorliegenden Unterlagen. Daraus folgerte das Gericht, dass den Brütereibetreibern eine doppelte Umstellung ihrer Betriebe in so kurzer Zeit nicht zuzumuten sei. Sie wären ansonsten gezwungen, ihre Betriebe nach dem Urteil sofort derart umzustellen, dass keine Küken mehr getötet würden, um sodann bei Marktreife der Alternativverfahren eine weitere Umstellung zur Einführung der entsprechenden Verfahren durchzuführen. Bis zur Marktreife bleibe das Kükentöten daher weiterhin erlaubt, allerdings nur Gesetz dem Falle, dass die Behauptung über die in Kürze marktreifen Alternativen der Wahrheit entspräche. Die Offenlegung der tatsächlich veranschlagten Dauer bis zur Verfügbarkeit von Alternativen bis Ende 2021 hätte in jedem Fall zu einem anderen Urteil geführt und wurde daher wohl bewusst unterlassen.

5. Gesetzesentwurf zum Kükentöten-Ende wird voraussichtlich nicht rechtzeitig verabschiedet

Der von Bundesministerin Klöckner groß angekündigte und als Meilenstein gefeierte Gesetzesentwurf wird aller Voraussicht nach nicht zu einem baldigen Verbot des Kükentötens führen. Bei dem sog. Referentenentwurf, ein nicht von der Regierung selbst, sondern vom zuständigen Ministerium ausgearbeiteter Entwurf, beträgt die Abstimmungsdauer bis zur Verabschiedung des Gesetzes in der Regel mehr als ein Jahr. Denn neben dem regelmäßigen Abstimmungsverfahren erfolgt zusätzlich eine weitere Abstimmung im Kabinett, die das Verfahren deutlich in die Länge ziehen kann.

Was das konkret für den Gesetzesentwurf bedeutet, erläutert unser 1. Vorsitzender, Hans-Georg Kluge, der im Gerichtsverfahren zum Kükentöten vor dem Bundesverwaltungsgericht in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt aufgetreten ist.

„Diesen Gesetzentwurf bis zur nächsten Wahl durch Kabinett, Bundesrat und Bundestag zu bringen, ist zeitlich fast unmöglich. Frau Klöckner als Polit-Profi weiß das. Sie führt die Öffentlichkeit in Sachen Tierschutz somit wieder einmal hinters Licht.”

Kluge weiter:

“Klöckner hat zuvor schon das Bundesverwaltungsgericht bei seinem „Kükenschredder-Urteil getäuscht. Dort hatte sie dem Gericht über den Vertreter des öffentlichen Interesses nach den uns vorliegenden schriftlichen Unterlagen vortragen lassen, die Marktreife alternativer Methoden zur Früherkennung des Geschlechts stünde unmittelbar bevor. Das war die Unwahrheit. Klöckner hat sich mit ihrem heutigen Auftritt endgültig als zuständige Ministerin disqualifiziert. Wer auch immer Kanzler der nächsten Bundesregierung sein wird. Er darf diese Frau nicht noch einmal zur Ministerin machen.“

Mit der Vorlage des Gesetzesentwurfes wird den Verbrauchern vorgeschwindelt, dass sich das Ministerium für mehr Tierwohl und Verbraucherinformation einsetzt und das längst geforderte Kükentöten tatsächlich alsbald beenden will. Dabei wird auch Ministerin Klöckner um die knappe Zeit und deren fatale Folgen für den Gesetzesentwurf wissen.

„Das Vorgehen Frau Klöckner’s begründet den starken Verdacht, dass Hintergrund für den Gesetzesentwurf nicht ein tatsächliches Verbot des Kükentötens, sondern vielmehr der Versuch ist, eine frühere Umsetzung der Bundesverwaltungsgerichtsrechtsprechung zum Kükentöten zu verhindern. Eine derart lange Befristung halten wir vor dem Hintergrund eben jener Rechtsprechung für rechtswidrig.“, erklärt Eva Biré, Syndikusrechtsanwältin der Erna-Graff-Stiftung für Tierschutz.

6. Verstoß gegen den Koalitionsvertrag

Ein weiterer Beweis gegen Klöckner’s selbstgefeiertes Engagement gegen das Kükentöten: Einen Ausstieg sah der Koalitionsvertrag schon zu Mitte der Legislaturperiode vor. Diesen Zeitpunkt hat Klöckner mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf zum Ausstieg Ende 2021 lange verstrichen.

7. Gesetzesentwurf unterstützt weiterhin Tiertötungen

Selbst im kaum denkbaren Fall, dass der vorliegende Gesetzesentwurf noch vor Abschluss der Legislaturperiode verabschiedet wird, werden auch weiterhin Tiertötungen in der Eierindustrie geduldet werden. Denn auch die beworbene Alternativmethode der Geschlechterbestimmung im Ei ist laut Ministerin Klöckner noch nicht so weit, dass die Eier vor Ausbildung eines Küken-Embryos entsorgt werden können. Dies sei nur bis zum Ende des 6. Tages nach dem Ausbrüten der Fall. Das nun marktreife Verfahren, das bis 2021 eingeführt werden soll, ermöglicht eine Geschlechterbestimmung allerdings erst ab dem 9. Tag, sodass auch weiterhin millionenfach Tiere für unser Frühstücksei sterben müssen. In der Pressekonferenz betonte Klöckner mehrfach ihr großes Engagement bei der Entwicklung neuer Verfahrensmöglichkeiten, die eine Geschlechterbestimmung vor dem 7. gewährleisten. Solche Verfahren sollen dann ab dem 23.12.2023 verpflichtend sein.

Letztlich bleibt es also auch diesmal beim Alten: Klöckner’s Tierschutzpolitik ist reiner Populismus und führt weder zu einer Steigerung des Tierschutzes noch zu einer Stärkung von Verbraucherrechten.

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