18. April 2019
Seit Jahren werden Supermarkt-Eier in verschiedene Kategorien unterschieden, die vor allem über die Haltungsbedingungen der Legehennen Auskunft geben. Seit einiger Zeit ist allerdings neben der inzwischen verbotenen Käfighaltung ein weiteres Thema im Rahmen der Geflügel-Massentierhaltung ins Licht der Öffentlichkeit geraten – die Praxis des Kükensschredderns. In Deutschland werden jedes Jahr ca 45 Millionen männliche Eintags-Küken getötet. Da sie sich weder zum Eierlegen noch für die Mästung eignen, sind sie wirtschaftlich nutzlos und werden auf grausamste Weise entsorgt: die meisten werden lebendig geschreddert. Einige wenige Betriebe greifen auf die Alternative der Vergasung zurück. Die Praxis des Schredderns ist – nicht nur unter Tierschützern – hochumstritten und wird bundesweit diskutiert. Bisher wird von Seiten der Landwirte das häufig benutzte Schlupfloch im Tierschutzgesetz, der „vernünftige Grund“, ins Feld geführt, der rein auf der Wirtschaftlichkeit des Produktionsprozesses basiert.
Der Protest ist in den letzten Jahren immer lauter geworden und auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner lässt keine Gelegenheit aus, um darauf hinzuweisen, dass das Verfahren tierschutzwidrig ist. Ihr Ministerium hat in den letzten Jahren tatsächlich hohe Summen in die Erforschung und Erprobung der alternativen Methode der Geschlechtsfrüherkennung im ungebrüteten Ei investiert, da die Abschaffung des Kückenschredderns sogar im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Erst kürzlich liess sie in der Presse wieder verlauten, Kükenschreddern sei verboten, sobald die Alternative der Früherkennung praxisreif sei. Aber wann ist es soweit? Letztes Jahr hatte Klöckner den Ausstieg bereits für September 2019 angekündigt. Neuerdings ist das Wording das Verbot käme einhergehend mit der neuen Methode sehr wahrscheinlich 2020 (siehe Tagesspiegel-Artikel vom 17.04.). Das sind nochmal 45 Mio. männliche Küken, die auf brutale Weise umgebracht werden.
Das Land NRW hat bereits 2013 verfügt, juristisch grundsätzlich klären zu lassen, ob das Argument des „vernünftigen Grundes“ in diesem Fall überhaupt zieht. Das Bundesverwaltungsgericht wird in einer mündlichen Verhandlung am 16. Mai darüber entscheiden müssen, ob die wirtschaftlichen Interessen der Agrarwirtschaft den verfassungsrechtlich festgeschriebenen ethischen Grundsätzen des Tierwohls und des Tierschutzes über- oder unterzuordnen sind. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverwaltungsgericht hier ein Grundsatzurteil im Sinne des Tierschutzes fällt, das idealerweise auch Strahlkraft hat für andere Themen der Massentierhaltung mit gleicher Relevanz, wie die betäubungslose Ferkelkastration oder die Anbindehaltung in der Milchwirtschaft.
Kommentare
Thomas Neunzling schreibt () :
Ich habe inzwischen den Eindruck, dass nicht nur die Politiker, sondern auch die Richter des BVG letztendlich nur Handlanger der Wirtschaft sind. Nur so können solche schwachsinnigen Urteile entstehen. eine Schande für die Demokratie.
Beate Fischer schreibt () :
Lieber Herr Neunzling, vielleicht interessiert Sie auch das Interview mit Hans-Georg Kluge, unserem Vorsitzenden, das wir gestern veröffentlicht haben. Darin werden die juristischen Hintergründe eingehender beleuchtet und auch ein positiver Aspekt herausgearbeitet.
Herzlichst. BEATE FISCHER