21. August 2020
In unserem Grundsatzverfahren werden verschiedene Aspekte bezüglich Straßentauben thematisiert. Im Fokus steht die Frage, ob isolierte Fütterungsverbote tatsächlich rechtmäßig sind. Wir halten diese Praxis nicht nur für Tierquälerei, sondern sehen die Städte sogar zur Versorgung der Tiere verpflichtet. Damit wären wir bei einer zweiten Kernfrage des Verfahren: Sind Straßentauben Fundtiere, sodass die städtische Versorgungspflicht greift? Da wir im Verfahren beweisen wollen, dass alle Straßentauben verwaiste Zuchttauben und deren Abkömmlinge sind, beantworten wir diese Frage eindeutig mit ja! Gelingt uns dieser Beweis, wird ein Gericht kaum umhin kommen, insb. den Brieftaubensport aber auch das Fliegenlassen von Hochzeitstauben als strafbewährte Aussetzung von Tieren festzustellen.
Hier besteht ein Missverständnis. Unser Grundsatzverfahren begann erst Ende 2019 mit der Klageeinreichung. Doch auch zuvor setzten wir uns für Straßentauben ein und finanzierten das ein oder andere Gerichtsverfahren. Insbesondere ein Verfahren in Berlin war dabei von grundsätzlicher Bedeutung: Hier ging es um die Frage, ob das Füttern von Tauben eine bußgeldbewährte Straßenverschmutzung darstellt. Die Taubenfütterin musste letztlich keine Strafe zahlen.
Wie lange unser Grundsatzprozess letztlich dauert, ist schwer abzuschätzen. Aufgrund der extrem komplizierten Rechtsfragen und der grundsätzlichen Bedeutung erwarten wir keine schnelle Erfolgsentscheidung vor dem Verwaltungsgericht in erster Instanz. Aller Erfahrung nach vermögen es die höherinstanzlichen Gerichte eher, die komplexen Zusammenhänge zu begreifen und einer gerechten Entscheidung zuzuführen. Sollten wir also tatsächlich durch alle drei Instanzen bis zum Bundesverwaltungsgericht müssen, wird sich der Prozess noch Jahre hinziehen. Das ist natürlich schade! Die Geduld kann sich aber durchaus lohnen, da Entscheidungen von Bundesgerichten dann auch Auswirkungen auf andere Gerichtsverfahren in ganz Deutschland haben. Außerdem ist leider gerade in Bezug auf Straßentauben mit keiner schnellen Umkehr in der Politik zugunstern der Tiere zu rechnen, sodass letztlich der einzige Weg über ein Gerichtsverfahren führt. Ausgeschlossen ist natürlich nicht, dass wir schon in 1. oder 2. Instanz mit der Klage erfolgreich sind.
Insbesondere Urteile der höheren Gerichte (hier vor allem des Bundesverwaltungsgerichts) entfalten sog. Präjudizien. Das bedeutet, dass die unteren Verwaltungsgerichte den Feststellungen des höheren Gerichts grundsätzlich folgen werden, um zu vermeiden, dass das Urteil später in der höheren Instanz gekippt wird. Eine positive Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts, dass isolierte Taubenfütterungsverbote rechtswidrig sind (oder dass von Tauben keine Gesundheitsgefahren ausgehen etc.), würde demnach auch Entscheidungen anderer Gerichte in anderen Verfahren beeinflussen.
Das hängt ganz davon ab, in welche Instanz das Verfahren geführt werden muss. Erfahrungsgemäß muss ein Tierschutzverfahren jedenfalls bis in die 3. Instanz vor das Bundesverwaltungsgericht geführt werden bis ein Erfolg verzeichnet werden kann (s. z.B. Urteil zum Kükentöten oder unser Verfahren gegen die Bestrafung von Undercover-Stallfilmern). Dann sind mit höheren Summen im 5-stelligen Bereich zu rechnen. Das kann im Einzelfall aber auch schneller gehen und weniger Kosten verursachen. Es fallen an: Gerichtskosten, Anwaltskosten sowie die Kosten für die Beauftragung von Gutachtern.
Zunächst muss man zwischen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (wie hier) und solchen vor den ordentlichen Gerichten unterscheiden. In vielen bisherigen Fällen war der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid Gegenstand des Verfahrens, der dann zu einer Verhandlung vor den Amtsgerichten führt. Wir haben uns bewusst gegen diesen Weg und für ein Verfahren vor den Verwaltungsgerichten entschieden. Denn vorliegend geht es um die Beurteilung hoch komplexer verwaltungsrechtlicher Fragestellungen, die einen Amtsrichter sowohl in puncto Umfang als auch Thematik regelmäßig überfordern und unbedingt von Verwaltungsrichtern entschieden werden sollten. Hinzu kommt, dass eine Beweisaufnahme in den bisherigen Verfahren grundsätzlich nicht stattgefunden hat. Es wurden weder Sachverständige gehört, noch Gutachten in Auftrag gegeben, um etwa die Abstammung von Straßentauben von Zuchttauben oder die Ungefährlichkeit für die Gesundheit des Menschen zu belegen. Auch in rechtlicher Hinsicht wurde die Frage nach der Fundtiereigenschaft und den daraus resultierenden Folgen (staatliche Schutzpflichten?) bisher nicht von einem Gericht thematisiert und entschieden. In unserem Verfahren werden eine Reihe solcher Beweisanträge gestellt, die das Gericht dazu veranlassen sollen, sich mit diesen wichtigen Fragen eingehend zu beschäftigen und ein bloßes Abpinseln überkommender Lehrmeinungen verhindern. Und nicht zuletzt haben wir für unseren Prozess eine renommierte Berliner Anwaltskanzlei gewonnen, die mit Rechtsanwalt Kluge, Verfasser eines Kommentars zum Tierschutzgesetz, bisher einzigartige Prozesse auf dem Gebiet des Tierschutzes hat gewinnen können.
Diese Möglichkeit sieht unsere Rechtsordnung nicht vor. Man hört zwar immer wieder von sog. Muster- oder Sammelklagen. Diese sind jedoch die Ausnahme und betreffen in Deutschland nur Verbraucherschutzsachen (z.B. beim VW-Abgasskandal).
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